Biopic „Alice“ im Ersten: Alice Schwarzer wollte ihr Leben nicht selbst interpretieren

    Nina Gummich und Alice Schwarzer am Set von "Alice" | © RBB
    Nina Gummich mit  Alice Schwarzer am Set von "Alice". | ©RBB

    Der ARD-Zweiteiler„Alice“ würdigt das Leben von Alice Schwarzer und porträtiert die Feministin in jungen Jahren. HÖRZU sprach mit der unbeugsamen Kämpferin für Frauenrechte. 

    Engagiert, entschlossen, emanzipiert: Am 3. Dezember feiert Alice Schwarzer 80. Geburtstag. Das Erste würdigt die Feministin und Gründerin der Zeitschrift „Emma“ mit einem Zweiteiler über ihr Leben (Mi, 30. November, 20.15 Uhr im Ersten). Im Exklusiv-Interview mit HÖRZU redet die Jubilarin Klartext über gute und schlechte Zeiten.

    HÖRZU: Frau Schwarzer, der Zweiteiler „Alice“ beleuchtet Ihre Biografie bis zur Gründung von „Emma“. Warum keine Serie bis zur Gegenwart?

    ALICE SCHWARZER: Oh, das wäre ja ein erschreckender Gedanke! Denn bei einer Serie, die bis zur Gegenwart reicht, würde jede Distanz fehlen. Die aber braucht man für so einen Blick in ein Leben. Wie war Ihre Mitarbeit am Drehbuch? Am Buch habe ich nicht mitgearbeitet, weil ich es richtig finde, dass der Film einen Blick von außen auf mich richtet. Es wäre falsch, wenn ich mein Leben selbst interpretiere. Aber natürlich habe ich den Autoren für Fragen zur Verfügung gestanden.

    Haben Sie noch Kontakt zu Ihrem Expartner Bruno, der im Film eine große Rolle spielt?

    Bruno ist leider vor vier Jahren gestorben, aber wir waren bis zuletzt sehr eng befreundet.

    Im Film nennen Sie Deutschland das „Land von Schwarzbrot und Nebel“. Was würde eine Kanzlerin Schwarzer verändern?

    Ich würde Gewalt und Missbrauch den Kampf ansagen, weil sie der dunkle Kern von Herrschaftsverhältnissen sind. Leider werden in Deutschland jedes dritte bis vierte Mädchen und jeder zehnte Junge Opfer von Missbrauch. Außerdem macht mindestens jede dritte Frau Gewalterfahrungen, auch in der eigenen Beziehung.

    „ALICE“ DER FILM - Ein Leben für die Gleichberechtigung

    Kritisch und unbeugsam: So porträtiert der Zweiteiler „Alice“ Schwarzer zwischen ihrem 21. und 35. Lebensjahr. Damals lebte die Feministin in Paris, wurde später Journalistin, kämpfte gegen dominante Chefredakteure, initiierte die „Stern“-Kampagne „Wir haben abgetrieben!“ und gründete schließlich ihre Zeitschrift „Emma“. Das Fazit von HÖRZU: Nina Gummich verkörpert Schwarzer in jeder Szene glaubhaft und authentisch – mit hohem Wiedererkennungswert! Prädikat: Absolute Sehempfehlung!

    Ihr bester Charakterzug?

    Mein Mitgefühl. Es muss ziemlich heftig kommen, bis ich jemanden uninteressant oder gar unsympathisch finde.

    Und Ihre schlechteste Eigenschaft?

    Dass ich heftig werden kann und nicht immer im Auge habe, wie das wirkt. Außerdem kann ich auch mal laut werden. Aber mit Tellern werfe ich nicht mehr.

    Welche an Sie gestellte Frage verachten Sie am meisten?

    Die Frage, wie autoritär ich sei. Weil das ein furchtbares Klischee ist. Ich bin sicher und bestimmt und mache seit 44 Jahren die „Emma“, mit manchen Mitarbeiterinnen seit 40 Jahren – was viel länger ist als beim „Stern“ oder „Spiegel“, wo Redakteure alle halbe Jahre ausgewechselt werden. Wenn man trotzdem das Klischee über mich bemüht und behauptet, ich sei „schlimmer als jeder Mann“, und wenn man mich fragt, ob ich nicht loslassen könne – dann nervt mich das. Ich werde schon selbst Bescheid geben, wenn ich aufhören will.

    Werden Sie lieber von Männern oder von Frauen interviewt?

    Gemeingefährliche Frage! Okay, ganz ehrlich: lieber von Männern! Denn die kommen mit einer relativen Gelassenheit und Offenheit, und dann sind sie von mir überrascht. So schlecht wie mein Ruf kann ich gar nicht sein. Bei den Frauen habe ich oft den Eindruck, dass sie überlegen, was ich über sie denke – etwa über ihre Kleidung. Sie setzen sich in Vergleich zu mir und unterstellen mir, dass ich bestimmte Erwartungen an sie hätte. Dabei habe ich die gar nicht, weil ich weiß, dass alle Menschen unterschiedlich sind.

    Nun haben Sie gerade gesagt, Ihr Ruf sei schlecht. Finden Sie das wirklich?

    Ich glaube, dass ich Gegenstand extremer Projektionen und Emotionen bin. Zu mir kommt man selten unbefangen, weil man ein Bild von Alice Schwarzer hat. Dieses Bild muss ich beim Gespräch immer erst mal durchbrechen. Gleichzeitig will ich aber niemandem irgendwas vorspielen.

    Selbstbestimmung ist ein Schlüsselbegriff in Ihrem Leben. Stichwort selbstbestimmtes Sterben: Sind Sie für Sterbehilfe?

    Ja, ich bin für das Recht, selbstbestimmt zu sterben. Unter bestimmten Umständen würde auch ich das selbstverständlich tun, und es ist gut, dass die deutsche Gesetzeslage das auch inzwischen erlaubt. Gleichzeitig bin ich mir aber auch der Gefahr des Missbrauchs bewusst, wobei das prinzipiell für alles gilt. Bei der Regelung des selbstbestimmten Sterbens muss man auf jeden Fall darauf achten, dass diese Möglichkeit nicht missbraucht wird.

    Alice Schwarzer im Interview mit Romy Schneider 1976 | ©ORF

    Was würde die bald 80-jährige Alice der achtjährigen Alice sagen?

    Dich erwartet ein aufregendes Leben. Nicht immer bequem, nicht immer sonnig, aber spannend. Mach dich auf den Weg.

    Wie feiern Sie Ihren runden Geburtstag am 3. Dezember?

    Ganz klein, weil schon so viel gefeiert wird. Es gibt Premieren für den Film und eine Doku – und danach ist es erst mal gut.

    " Alice": Mi, 30. November, 20.15 Uhr im Ersten und bereits in der ARD-Mediathek