Mehr als ein Jahr nach ihrem Abschied vom Sonntagabend-Talk im Ersten zieht Anne Will eine positive Bilanz. Die Journalistin hat ihre neu gewonnene Freizeit nicht nur schätzen gelernt, sondern widmet sich auch neuen Projekten.
Die Entscheidung liegt bereits mehr als zwölf Monate zurück: Anne Will (59) beendete ihre langjährige Moderation der politischen Gesprächsrunde am Sonntagabend in der ARD. In einem aktuellen Gespräch enthüllte die Journalistin, wie sehr sie die zurückgewonnene Zeit an diesem Wochentag zu schätzen weiß.
In der "NDR Talk Show" am 4. April schilderte die Moderatorin ihre veränderte Lebensrealität: "Mal bin ich im Kino, mal bin ich zuhause, aber immer frei. Also ich habe auch stark das Gefühl, jeden Sonntag noch, dass ich das wirklich schön finde, dass ich nicht arbeiten muss. Das finde ich wirklich, wirklich schön." Sie erinnerte sich an frühere Arbeitszeiten: "Um 14.30 Uhr wurde ich normalerweise immer abgeholt und bin Richtung Studio gefahren und jetzt denke ich immer: Yeah, 14.30 Uhr. Toll, man kann noch ganz viele Sachen machen!"
Nach Beendigung ihrer Sendung im Dezember 2023 hat die Journalistin aber keineswegs pausiert. Mit "Politik mit Anne Will" produziert sie nun wöchentlich einen Podcast, der donnerstags erscheint. Diese neue Aufgabe empfindet sie als "so viel leichter als Fernsehen". Besonders im Vergleich zu ihrer vorherigen Tätigkeit zeigten sich die Vorteile: "Und übrigens auch so viel leichter als so eine Sonntagabend-Talkshow, wo man natürlich immer weiß, das sehen jetzt vielleicht viereinhalb Millionen, fünf Millionen Zuschauer."
Die hohen Einschaltquoten bedeuteten zwar Bestätigung - "wenn man da stattfindet und ganz viel Aufmerksamkeit auf sich zieht" - brachten jedoch auch erheblichen Druck mit sich. "Den habe ich auch stark gespürt, und da habe ich an irgendeinem Punkt auch gesagt, ich möchte das gar nicht mehr." Sie wollte dem kontinuierlichen Erwartungsdruck entgehen, ohne dabei auf politische Interviews verzichten zu müssen. Schließlich sei dies eine Kompetenz, die sie "gut kann".
Das neue Podcast-Format ermöglicht ihr nun ausführlichere Gespräche mit einer Dauer von 60 bis 90 Minuten pro Gast. "Da ist klar, wie viel Zeit man hat, einem Gedanken nachzugehen, ihn zu vertiefen, nochmal nachzufragen. Und das macht mir sehr viel Freude."
Ein bemerkenswertes Interview führte Will mit Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (70). Die intime Aufnahmesituation schuf dabei eine besondere Dynamik: "Da ist nichts in dem Raum, da sind nur wir beide. Und als sie dann da war, war sie, für mich spürbar, nervös. Und das ist natürlich eine Frau, die so geübt ist in Interviews, die schockt natürlich nichts. Aber: Ich glaube, diese seltsame, und auch ein bisschen behauptete Intimität, wo man mit jemandem, der einem fremd ist, in so einem kleinen Raum sitzt, das macht schon etwas." Diese Atmosphäre beeinflusse selbst routinierte Politikerinnen wie Merkel spürbar.
Die Karriere der Journalistin umfasste bedeutende Stationen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen: Von 2001 bis 2007 präsentierte sie die "Tagesthemen", anschließend moderierte sie von September 2007 bis Dezember 2023 ihre eigene Polit-Talkshow. Ihre Nachfolge im Sonntagabend-Programm hat Caren Miosga (55) angetreten. (ki/ae/spot)