Stark wie nie: Désirée Nosbusch sprach mit HÖRZU über ihre neue ZDF-Reihe „Conti“, große Pläne und die Magie des Filmemachens.
Ein Artikel von HÖRZU-Redakteur Sven Sakowitz.
Der Höhenflug geht weiter: Nachdem die Karriere von Désirée Nosbusch schon fast beendet schien, ist die Schauspielerin und Moderatorin seit ein paar Jahren wieder regelmäßig in großen, anspruchsvollen Rollen zu sehen. Das überraschende Comeback gelang ihr 2018 mit der preisgekrönten ZDF-Serie „Bad Banks“, in der sie als eiskalte Top-Bankerin zu sehen war. Danach bekam die gebürtige Luxemburgerin unter anderem mit „Der Irland-Krimi“ eine eigene Reihe im Ersten und glänzte im RTL-Erfolg „Sisi“ als Erzherzogin Sophie.
Jetzt ihr nächster großer Auftritt: Das ZDF zeigt den Justizkrimi „Conti: Meine zwei Gesichter“, in dem Nosbusch die Hauptrolle als Hamburger Staranwältin Anna Conti spielt. Eine Frau, die laut Nosbusch nicht nur Paragrafen im Kopf hat: „Wenn sie einen Mandanten vertritt, stürzt sie sich in den Fall, wühlt sich durch alle Details und gibt sich erst dann zufrieden, wenn Gerechtigkeit waltet.“ Kommt der Film beim Publikum an, wird eine Reihe daraus. HÖRZU sprach mit Nosbusch über ihr Praktikum bei einer Anwältin, ihre Hochachtung für junge Kolleginnen und ihren ersten Kinofilm als Regisseurin.
HÖRZU: Frau Nosbusch, in dem neuen ZDF-Film „Conti: Meine zwei Gesichter“ spielen Sie in der Hauptrolle eine Anwältin mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn. Ist Gerechtigkeit auch für Sie ein wichtiger Wert?
Désirée Nosbusch: Absolut! Als Kind wollte ich sogar Anwältin werden. Ich dachte, ich könnte mit diesem Beruf für Gerechtigkeit in der Welt sorgen und möglichst vielen Menschen helfen.
Woher kam dieser Berufswunsch?
Zum einen war ich schwer in den Anwalt Tony Petrocelli aus der US-Fernsehserie „Petrocelli“ verliebt. Aber es gab wichtigere Gründe. Mein Vater war Präsident der Fernfahrer-Gewerkschaft und hat sich für seine Leute eingesetzt. Das hat mir imponiert. Prägend war auch, dass wir nicht viel Geld hatten und meine italienische Mutter in Luxemburg als „Ausländerin“ oft diskriminiert wurde. Manche Leute machten sich lustig über sie, weil sie die Sprache nicht perfekt beherrschte. In der Schule lachten unsere Mitschüler meinen Bruder und mich aus, weil wir uns keine teuren Klamotten leisten konnten. Wenn man so etwas als Kind aufsaugt, führt das automatisch dazu, dass man für Ungerechtigkeiten sensibilisiert wird.
Welche Ungerechtigkeiten bringen Sie heute auf die Palme?
Klar: Diskriminierungen aufgrund von Hautfarbe, Geschlecht oder Religion sind ein Unding und sollten jeden aufwühlen. Aber mich ärgern schon alltägliche Kleinigkeiten. Wenn zum Beispiel am Flughafen ein Flug ausfällt, und ich sehe am Schalter eine ältere schüchterne Dame, die vielleicht zum ersten Mal fliegt und vom Personal ignoriert wird, keine Hilfe bekommt. In solchen Momenten werde ich richtig wütend und mische mich auch ein.
Wollten Sie deshalb unbedingt mal eine Anwältin spielen?
Ursprünglich war gar nicht klar, wohin die Reise bei diesem Projekt gehen würde. Vor etwa zwei Jahren kam die Produktionsfirma Letterbox auf mich zu und fragte eher vage an, ob wir gemeinsam eine neue Reihe fürs Fernsehen entwickeln wollen. Letterbox kannte ich von der großartigen Zusammenarbeit bei der Serie „Bad Banks“, auch deshalb war ich über die Anfrage hocherfreut. Wir sprachen viele Ideen durch: Sollte die Reihe vielleicht in der Fernsehwelt spielen? Oder sich am klassischen Krimi orientieren? Als ich irgendwann einmal über meinen früheren Berufswunsch sprach, entwickelten sich die Dinge in Richtung der Anwältin Anna Conti.
Erstaunlich, dass Sie so eng eingebunden waren, oder?
Ja. Denn es ist wirklich keine Selbstverständlichkeit, dass man als Schauspielerin so intensiv an der Entwicklung einer Geschichte beteiligt ist. Ich bin sehr dankbar dafür, dass meine Ideen Gehör finden. Aber ab einem bestimmten Punkt haben natürlich die Drehbuchschreiber die Arbeit übernommen. Wie haben Sie vor dem Dreh konkret Ihre Rolle entwickelt? Ein großes Geschenk war, dass ich die wunderbare Hamburger Anwältin Gül Pinar gewissermaßen als Praktikantin begleiten durfte.
Was konnten Sie dabei als Schauspielerin lernen? Wälzt eine Anwältin nicht vor allem dicke Bücher mit Gesetzen?
Das natürlich auch. Aber da gab es viel, viel mehr für mich zu entdecken. Ich habe mit ihr Mandanten in der U-Haft besucht und saß bei einem Prozess neben ihr. Dabei habe ich gelernt, wie komplex juristische Verfahren sind und dass vermeintlich eindeutige Fälle schnell in einem völlig neuen Licht erscheinen können.
Aktuell sind Sie in vielen Rollen zu sehen. Aber lassen Sie uns mal ein paar Jahre zurückgehen. Es gab etwa ab dem Jahr 2005 eine Zeit, in der Ihre Karriere unter dem Radar lief und man wenig von Ihnen gesehen hat. Wie haben Sie diese Zeit empfunden?
Also, erst mal: „Unter dem Radar“ ist eine sehr höfliche Formulierung. Die Wahrheit ist: Es war nichts da. Ich habe mich im Kreis gedreht. Es gab Jahre, in denen hatte ich maximal vier Drehtage und war froh, wenn ich überhaupt mal eine kleine Nebenrolle bekommen habe.
Hat Sie das sehr traurig gemacht?
An guten Tagen war es für mich okay. Ich hatte in Luxemburg eine schöne Spielwiese, habe Theater gespielt und Lesungen gemacht. Ich sagte mir, dass ich meine künstlerische Erfüllung eben auf diese Weise finden würde. Aber an schlechten Tagen war ich traurig und frustriert. Ich dachte dann: Vielleicht haben die ja auch alle recht, und ich bin als Schauspielerin gar nicht so gut, wie ich gern wäre. Irgendwann habe ich meine Agentin angerufen und ihr gesagt: ,Bitte nimm mich aus deiner Kartei. Das alles tut mir nur noch weh.‘
Und dann kam „Bad Banks“.
Genau. Wie aus dem Nichts erhielt ich Ende 2016 eine Anfrage für ein Casting. Ich sollte als Bankerin Christelle Leblanc vorsprechen. Ich hatte keine Ahnung, wie die auf mich gekommen waren. Meine Haltung war: Ich bekomme die Rolle eh nicht, aber ich möchte danach das Gefühl haben, alles dafür getan zu haben. Also habe ich mich auf das Casting so akribisch vorbereitet wie nie – und bekam die Rolle. Danach konnte ich mich vor Angeboten fast nicht retten.
Seit mehr als 40 Jahren sind Sie in der Branche. Gibt es einen wichtigen Rat, den Sie jüngeren Kolleginnen geben würden?
Die jungen Schauspielerinnen von heute sind viel weiter, als ich es damals je hätte sein können. Bei meiner Generation war es noch so: Wenn da jemand älter und in einer Machtposition war, haben wir uns nicht getraut, Nein zu sagen. Das ist heute Gott sei Dank anders. Meine jungen Kolleginnen sind selbstbewusst und ziehen ganz klare Grenzen. Und sie wissen, dass Schauspielerei nicht nur eine Leidenschaft ist, sondern auch ein Geschäft. Das habe ich erst mit 40 begriffen.
Also kein Ratschlag?
Jedenfalls keinen ungebetenen. Sollte mich doch mal jemand fragen, würde ich vielleicht sagen: Hör immer auf dein Inneres und lass dir deine Träume niemals ausreden. Ich glaube fest daran, dass man dann irgendwann belohnt wird.
2022 haben Sie erstmals Regie bei einem Spielfilm geführt. Wie kam das?
Vor etwa 13 Jahren habe ich am Theater in dem Stück „Gift“ von Lot Vekemans gespielt. Es geht darin um ein getrennt lebendes Paar, das einst ein Kind verloren hat und sich nach zehn Jahren an dessen Grab trifft. Das hat mich nicht losgelassen. Ich habe mir die Filmrechte gesichert, und danach hat es zehn Jahre gedauert, bis ich die Finanzierung zusammenhatte. Für die Hauptrollen konnte ich den Briten Tim Roth und die Dänin Trine Dyrholm gewinnen. Was für großartige Darsteller!
Wie war es für Sie am Set?
Man muss als Regisseurin jeden Tag unendlich viele Entscheidungen treffen. An den ersten Tagen mochte ich morgens gar nicht aus dem Auto steigen, weil ich so eine Panik hatte. Aber dann wurde es besser. Als die Bilder, die ich mir jahrelang nur im Kopf ausgemalt hatte, schließlich Wirklichkeit wurden, war das pure Magie. Nun wird der Film erst mal auf Festivals laufen und danach hoffentlich auch in die Kinos kommen.
Sie sind Moderatorin, Schauspielerin, jetzt Regisseurin. Gibt es noch ein weiteres Feld, in dem Sie sich unbedingt ausprobieren wollen?
Mit der Regie bei „Gift“ sind all meine Träume wahr geworden. Wenn ich mir noch mehr wünschen würde, wäre das vielleicht ein bisschen zu viel des Guten. Ich möchte meine unterschiedlichen Projekte mit Sorgfalt und Liebe weiterführen und mich daran erfreuen, dass ich noch mitmachen darf. Das fühlt sich gut an. Früher war ich oft innerlich angespannt, weil ich in meinem Leben noch so vieles erledigen und hinkriegen wollte. Dagegen bin ich heute viel gelassener, weil ich auf viele tolle Dinge zurückblicken kann. Wenn mir morgen jemand sagen würde: „Désirée, es war nett, aber mach jetzt mal Platz für andere“, dann würde ich sagen: „Ich hatte eine schöne Zeit. Danke, dass ich so lange dabei sein durfte.“ Es wäre alles gut.
Am 15. April läuft „Conti: Meine zwei Gesichter“ um 20.15 Uhr im ZDF.