Im Interview: Heino Ferch mit seinem realen Kommissar-Vorbild

20.03.2023 um 10:29 Uhr
    Ingo Thiel Heino Ferch Titelbild | © ZDF / Frank Dicks
    Angespannt: Ingo Thiel (Heino Ferch) und die „Soko Amelie“ suchen nach neuen Beweisen | ©ZDF / Frank Dicks

    Im TV spielt Heino Ferch zum vierten Mal den realen Mordermittler Ingo Thiel. HÖRZU traf die beiden Stars der Krimireihe, die auf wahren Begebenheiten basiert, zum Doppelinterview.

    Ein rätselhaftes Verbrechen: Nach der gemeinsamen Geburtstagsfeier mit ihrer Zwillingsschwester Marie verschwindet die 31- jährige Amelie (Kristin Suckow in einer Doppelrolle) spurlos. Sonderermittler Ingo Thiel (Heino Ferch) geht davon aus, dass sie ermordet wurde. Er verdächtigt Amelies Lebensgefährten Jonas (Max Hubacher). Doch obwohl viele Indizien gegen Jonas sprechen, hält Amelies Mutter Dorothee (Martina Gedeck) zu ihm. Thiel kann sich keinen Reim auf ihr Verhalten machen. Um den Mörder zu überführen, greift er zu einem Trick.

    Der TV-Krimi „Wo ist meine Schwester?“ ist Teil 4 einer Reihe, in der Ferch den echten Kriminalhauptkommissar Ingo Thiel verkörpert. Einer der spektakulärsten Erfolge des 59-jährigen Ermittlers war 2011 die Aufklärung des Mords an dem zehnjährigen Mirco. HÖRZU traf Thiel und Ferch zu einem Doppelinterview über Realität, Fiktion und das wahrhaft Böse.

    Der echte Kommissar Ingo Thiel wollte eigentlich Zahntechniker werden | ©Imago

    Herr Ferch, was zeichnet Ingo Thiels neuen TV-Fall besonders aus?

    Heino Ferch: Das Faszinierende ist für mich Thiels kriminalistische Ermittlungsarbeit. Mir gefällt, dass es dabei nicht um Action geht, sondern um Psychologie. Thiels Kennzeichen sind Hartnäckigkeit, Cleverness, beeindruckende Verhörmethoden und ein exzellenter Instinkt. Nicht umsonst ist Ingo ein Ermittlerstar in der deutschsprachigen Szene.

    Wie verarbeiten Sie die schrecklichen Taten, mit denen Sie bei Ihrer Arbeit konfrontiert werden, Herr Thiel?

    Ingo Thiel: Ich weiß gar nicht, ob ich all das weggesteckt habe – oder ob irgendwann mal noch ein Knall kommt. Hilfreich ist, dass ich immer einen gut funktionierenden Kollegenkreis hatte. Wir regeln unsere Fälle im Team, ich war niemals allein damit beschäftigt.

    Wussten Sie schon früh, dass Sie zur Polizei gehen würden?

    Thiel: Nein. Eigentlich wollte ich Zahntechniker werden. Aber nachdem sich ein paar Freunde bei der Polizei beworben hatten, habe ich das auch getan – und wurde genommen. Damals war mir gleich klar, dass ich Mordermittler werden wollte.

    Wer von Ihnen ist besser darin, den Mörder in einem TV-Krimi zu erraten?

    Ferch: Mit Sicherheit Ingo.

    Thiel: Nein – das interessiert mich gar nicht. Ich komme meist erst sehr spät auf den Täter.

    Überzeugt: Dorothee Reinhard (Martina Gedeck) glaubt fest an die Unschuld von Jonas (Max Hubacher) | ©ZDF / Frank Dicks

    Was sind die Schnittmengen zwischen Ihren Berufen? Was haben Schauspieler und Mordermittler gemeinsam?

    Thiel: Lange Wartezeiten und viel Geduld.

    Ferch: Außerdem eine große Menge Ausdauer. Und dass man Dinge nicht rasch abhakt. Mehr Parallelen gibt es nicht. Ich könnte mir nicht vorstellen, täglich in menschliche Abgründe zu schauen.

    Thiel: Ich tue das, weil es mein Mantra ist, den Hinterbliebenen Antworten zu geben. Schließlich erleben sie nicht nur eine schlimme Phase, sondern eine große Tragik. Flapsig gesagt kommt die Mordkommission ja nie zum Gratulieren, sondern nur, wenn etwas Furchtbares passiert ist. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, den Angehörigen einen Abschied und somit auch eine Art Abschluss zu ermöglichen. Beispielsweise, indem man ihre offenen Fragen beantwortet. Es gibt nichts Schlimmeres als quälende Ungewissheit.

    Wie hoch ist die Anzahl Ihrer ungelösten Fälle, Herr Thiel?

    Thiel: Davon habe ich keine – Cold Cases ausgenommen. Aber bei denen habe ich auch nicht mit der Ermittlungsarbeit angefangen, sondern sie später übernommen.

    Trauen Sie jedem einen Mord zu?

    Thiel: Ja, in jedem von uns steckt ein potenzieller Mörder. Wir können alle in eine Situation geraten, in der wir zum Schlimmsten fähig sind.

    Ferch: Wenn ich beispielsweise nach diesem Interview auf dem Nachhauseweg in eine Situation käme, in der ich mich gegen Angreifer wehren müsste, könnte im Affekt vielleicht etwas passieren, mit dem man nicht gerechnet hat.

    Thiel: Und schon macht man Sachen, von denen man nie geglaubt hätte, dass man zu ihnen fähig wäre.

    Existiert Ihrer Meinung nach so etwas wie „das Böse“?

    Thiel: Ja, leider gibt es tatsächlich Menschen, die man nur als tickende Zeitbomben beschreiben kann.

    Am 20. März läuft der neue Fall „Wo ist meine Schwester?“ um 20.15 Uhr im ZDF.