Eine abgelegene Jagdhütte, zwei Tote - und ein Ermittlerduo, wie es unterschiedlicher nicht sein könnte: Mit „Mord in Wien - Der letzte Bissen“ liefert die ARD einen Krimi-Auftakt, der Spannung, Stil und subtile Satire vereint. Ist das der Startschuss für die nächste große Krimi-Reihe im Ersten?
Die ARD ist wirklich fleißig, was das Nachproduzieren neuer Filme für den "DonnerstagsKrimi im Ersten" betrifft. Zwar wird "Mord in Wien - Der letzte Bissen", eine Koproduktion mit dem ORF, nicht explizit als Auftakt einer neuen Reihe angekündigt, doch vermutlich wartet man auch hier erst einmal die Resonanz ab. Es wäre auf jeden Fall ein willkommener Neuzugang. Wegen des Drehortes natürlich. Vor allem aber wegen des ungleichen Ermittlerduos.
Ungleiches Ermittlerduo? Ja, längst Standard im Fernsehkrimi. Ein Ermittler aus Adelskreisen aber erinnert eher an britische Serien wie "Inspector Lynley" oder "Dempsey & Makepeace". Hier ist Oberstleutnant Carl-Albrecht Nassau (August Wittgenstein) der Adelsspross, mal als "Kaiserenkel", mal als "Ur-Ur-Großneffe des Kaisers" betitelt. Ihm ist's egal, er will mit dem "Kaschperlverein", wie Kollegin Franziska Malzer (Frank) seine Kreise nennt, möglichst wenig zu tun haben. Verbergen kann er seine Herkunft aber nicht.
Nassau gilt als Spezialist für unlösbare Fälle. Malzer ist Majorin der "Inneren" und hat den Ruf, "schmerzbefreit" zu sein. Immerhin habe sie einen Polizisten, ihren eigenen Ehemann noch dazu, verhaftet. "Sehr beeindruckend, deshalb wollte ich Sie", erklärt ihr Innenministerin Kerber (Edita Malovčić). Sie betraut Nassau und Malzer mit den Ermittlungen in einem brisanten Doppelmord vor einer Jagdhütte im Wienerwald.
Die Opfer: Robert Ehrlacher (Daniel Keberle), Chef einer Sondereinheit für organisierte Kriminalität, und Peter März (Xaver Hutter), hoher Beamter beim Verfassungsschutz. In beider Mündern stecken Zweige: "Der letzte Bissen, damit ehrt ein Jäger sein erlegtes Wild", weiß Nassau. Logisch, mit der Jagd kennt sich der Adel ja aus.
Nicht nur die teure Jagdausrüstung der Opfer führt zu der Frage: Woher hatten die beiden so viel Geld? Als Nassau und Malzer in Ehrlachers Wohnung von einem Mann, Georg Landauer, attackiert werden, erschießt Nassau ihn in Notwehr. Drei Leichen in 24 Stunden - und alle drei tragen die gleiche Tätowierung, wie die seltsame Gerichtsmedizinerin (Suzanne von Borsody) verrät - "Ostmafia-Symbole", erkennt Alleswisser Nassau sogleich.
Die Spur führt zu den russischen Brüdern Alexander "das Hirn" (Anton Pampushnyy) und Nikolaus "die Faust" Fischer (Lenn Kudrjawizki), für die Landauer arbeitete. Sie behaupten, weder die Ermordeten zu kennen noch von Landauers Vergangenheit gewusst zu haben. Früher waren sie Unterweltkönige in Hamburg, seit zehn Jahren leben sie in Wien, ohne polizeilich aktenkundig zu werden. Wird da etwas vertuscht?
Dann stoßen die Ermittler auf die "Operation Ganymed": Mit einem Schlag gegen das organisierte Verbrechen in Ostösterreich wurden vor elf Jahren "sämtliche illegalen Geschäftsfelder" ausgeräumt, berichtet Malzer Nassau, allerdings mit einer "Nebenwirkung" - "Ganymed hat Leuten wie den Fischers die florierenden Geschäfte in Wien herrenlos vor die Nase serviert?" - "Bingo!"
Doch nicht nur die Fischers machen sich verdächtig, sondern auch René Horvath vom Verfassungsschutz, Chef des toten Robert Ehrlacher. Er will den Fall für sich und wirkt extrem nervös. Warum? Und weshalb war sein Mitarbeiter Krammer (Michael Steinocher) schon vor den Ermittlern in der Gerichtsmedizin? Werden sie etwa abgehört? So langsam kommt Tempo in den Fall ...
Wie das so ist mit potenziell neuen Reihen, muss auch bei "Mord in Wien - Der letzte Bissen" natürlich erst einmal das Personal etabliert werden. Dafür nehmen sich Drehbuchautor Horst-Günther Fiedler und Regisseurin Sabine Derflinger viel Zeit. Zum Glück. Es ist ein großes Vergnügen, Nassau und Malzer bei ihrem Spiel mit den Vorurteilen zuzusehen, was auch den Darstellern August Wittgenstein und Caroline Frank sichtlich Spaß bereitete: "Ich liebe es, wie sich beide gegenseitig sofort analysieren und damit völlig falsch liegen", bestätigt Frank.
Auch über die privaten Dramen des Duos erfährt man bereits so einiges. Dem zwischen Carl-Albrecht und seinem Vater Carl-Otto (Dietrich Hollinderbäumer) etwa, der die Berufswahl seines Sohnes heftigst missbilligt. Adel verpflichtet schließlich. Malzer wiederum, im Film für den typischen Wiener Grant zuständig, trägt eine tiefe Traurigkeit in sich, die gelegentlich hinter ihrer abgeklärten Fassade durchblitzt. Dank ihrer Schwester und ihrer Enkelin Mia erfahren Nassau und die Zuschauerinnen und Zuschauer nach und nach den bewegenden Hintergrund. Ihre Geschichten machen die Ermittler zu Menschen - und ziemlich sympathisch.
Quelle: teleschau / Susanne Bald
"Mord in Wien - Der letzte Bissen" - Do. 24.04. - ARD: 20.15 Uhr