Der Tod eines Studenten stellte das Münster-Duo Thiel (Axel Prahl) und Boerne (Jan Josef Liefers) vor ein Rätsel: Eine Kommilitonin war überzeugt, die Täterin zu sein, doch ihre Schilderungen passten nicht zu den Verletzungen der Leiche. Können Erinnerungen tatsächlich manipuliert werden?
Ein gutgemeinter Scherz von Rechtsmediziner Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) stellte seine Beziehung zu Kriminalhauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) im 47. Münster-"Tatort: Fiderallala" (Drehbuch: Regine Bielefeldt) auf eine harte Probe.
Gleichzeitig gab der Tod eines Studenten dem Duo ein Rätsel auf: Zwar schien eine Kommilitonin felsenfest davon überzeugt, verantwortlich zu sein, doch passten ihre Schilderungen des Tathergangs nicht zu den Verletzungen der Leiche. Wie sich herausstellte, wurde ihre Erinnerung manipuliert. Doch ist das wirklich möglich?
Um seinen Tiefkühlpizza-verrückten Kollegen auf eine Studentenparty zu locken, erfand Boerne im von Isa Prahl inszenierten Krimi kurzerhand eine Leiche. Der Plan ging auf: Thiel amüsierte sich auf der Party, Boerne wiederum konsumierte nicht nur reichlich THC und Alkohol, sondern landete mit seiner berauschten Darbietung der "Vogelhochzeit" zudem einen Hit im Netz.
Getrieben von gekränktem Stolz kündigte Boerne Thiel aus Strafe, weil dieser nicht eingegriffen hatte, das Mietverhältnis. Ein Fehler, wie sich alsbald herausstellte, den der Professor letztlich gar mit der Sprengung von Thiels Briefkasten ausmerzen wollte.
Die Kabbeleien der beiden Hauptfiguren waren nur das unterhaltsame Nebengeplänkel zum eigentlich zu lösenden Fall: Der Student Chris Haffmeister (Jonas Stenzel) starb an den Folgen einer rätselhaften Stichverletzung. Der geschätzte Todeszeitpunkt lag ausgerechnet im Zeitfenster der Fachschaftsparty, ander auch Thiel und Boerne teilnahmen. Entsprechend groß war der Kreis aus Zeugen und potenziellen Tätern, die sich jedoch alle kaum an die Party-Nacht erinnern konnten. Chris Haffmeister, so stellte sich alsbald heraus, verwaltete bis zu seinem Tod die Zimmerbörse der AStA.
Die vorbestrafte Fraya Menke (Meira Durand) hatte sich zunächst vergeblich auf eines dieser Zimmer beworben und geriet folglich unter Mordverdacht. Die unscheinbare Studentin Lucy Osthofen (Luise von Stein) wiederum behauptete, selbst verantwortlich für den Tod von Chris Haffmeister zu sein. Sie habe ihn aus Notwehr erstochen. Doch ihre Aussage passte nicht zu den Tatsachen.
Mit einem "handelsüblichen Lügendetektor" wollte Boerne der Sache auf den Grund gehen - mit dem Ergebnis: "Nichts von dem, was sie sagt, kann stimmen. Aber sie lügt auch nicht. Es ist so, als würde sie die Lüge wie eine Wahrheit internalisiert haben." Noch verrückter wurde es mit dem Fund einer zweiten Leiche: Achim Probst wurde in seiner Villa erschlagen. Diesmal gestand der einstige Profi-Fußballer Erkan Gül (Surho Sugaipov) einen Raubmord. Doch auch diese Aussage konnte nicht stimmen.
Ein manipulatives Eingreifen in die Erinnerungen eines Menschen ist tatsächlich möglich, wie unter anderem ein Experiment der Psychologin Aileen Oeberst beweist: "Wir haben Studierende unter dem Vorwand eingeladen, eine Studie über Kindheitserinnerungen durchzuführen", beschreibt die Wissenschaftlerin im Interview mit dem "ZEITmagazin ONLINE": "Im Vorfeld haben wir mit ihren Eltern gesprochen und echte Erinnerungen eingeholt. Diese haben wir später mit falschen Behauptungen vermischt und die Probanden danach gefragt. Beispielsweise ein Familienurlaub in Italien: Hier haben wir behauptet, die Probandin sei als Kind bei einem Ausflug in diesem Urlaub verloren gegangen - das stimmte so aber nicht."
Zunächst sei die Versuchsperson stutzig geworden, doch je länger sie über das angebliche Erlebnis nachgedacht habe, umso mehr Details wie etwa das warme Wetter habe sie selbst zu der Geschichte hinzugefügt: "Wir unterstützen in den Interviews diese falsche Erinnerung immer wieder durch Bestärkung und Ermunterung, weiter zu überlegen. Und so können Versuchspersonen am Ende überzeugt sein, das so zu erinnern", erklärt Oeberst.
Neben der Fähigkeit und der Motivation, die falsche Erinnerung in sich aufzunehmen, brauche es vor allem vertrauensvolle Personen, die dem Probanden immer wieder diese Geschichte erzählen. Dies könnten die eigenen Eltern, aber auch Polizisten oder Therapeutinnen sein, wie Oeberst betont. In manchen Fällen könne dieses Verhalten allerdings fatale Folgen haben: "Wenn eine Therapeutin die These vertritt, dass der Grund für eine Erkrankung, beispielsweise eine Depression, ein Trauma aus der Vergangenheit ist und hier 'nachbohren' will, es aber ein solches Trauma gar nicht gab, dann kann das in katastrophalen, falschen Erinnerungen münden."
Ähnlich war es im "Tatort: Fiderallala": Die Therapeutin Solveig Menke (Adina Vetter) hatte ihrer Patientin Lucy Osthofen die falsche Erinnerung an die Todesnacht eingepflanzt, um ihre eigene Tochter Fraya vor einer Festnahme zu schützen. Achim Probst hingegen wurde von seinem eigenen Schwiegersohn Dennis Kollberg (Tom Radisch) erschlagen, der ebenfalls bei Solveig Menke in Behandlung war. Als er von deren manipulativer Fähigkeit erfuhr, erpresste er sie, ihm ebenfalls ein falsches Alibi zu beschaffen, das letztlich der Ex-Fußballer lieferte.
Thiel und Boerne schafften es am Ende des 90-Minüters, ihren Streit beiseite zu legen. Mehr noch, Boerne versprach seinem Mieter sogar eine neue Wohnung. Ob das Publikum diese bereits im kommenden Münster-"Tatort" zu Gesicht bekommt, bleibt abzuwarten.
Feststeht, dass der kommende 48. Film der letzte mit Schauspielerin Mechthild Großmann als Staatsanwältin Wilhelmine Klemm sein wird: Die 76-Jährige gab im August 2024 ihren Ausstieg bekannt. Die Dreharbeiten zu ihrer Abschiedsfolge "Die Erfindung des Rades" sollen im März und April 2025 stattfinden. Die Ausstrahlung ist für Ende 2025 geplant.
Quelle: teleschau / Elisa Eberle