Sebastian Fitzeks Debütroman von 2006 als Sechsteiler: Als eine 13-Jährige spurlos verschwindet, beginnt für ihren Vater ein nicht endender Albtraum.
Ein Artikel von Mike Powelz.
Kann sich ein Mädchen einfach in Luft auflösen? Gerade eben noch hat Viktor Larenz (Stephan Kampwirth, „Blackout“) gesehen, wie seine Tochter Josy („Systemsprenger“- Star Helena Zengel) in die Arztpraxis ging. Eine Stunde wartet der Berliner Psychiater nun schon in der Eingangshalle darauf, dass die häufig kränkelnde Teenagerin von ihrem Termin zurückkommt. Doch Josy taucht nicht auf, und der Doktor und die Sprechstundenhilfen behaupten, sie sei nie in der Praxis gewesen! Ihr Wort steht gegen das des verzweifelten Vaters.
24 Monate später: Am zweiten Jahrestag von Josys rätselhaftem Verschwinden zieht sich der immer noch verstörte Viktor in ein abgelegenes Ferienhaus auf der Nordseeinsel Parkum zurück. Dort bekommt er Besuch von einer Fremden namens Anna Spiegel (Emma Bading, „Play“), die unbedingt bei ihm in Therapie gehen will. Die verführerisch wirkende junge Frau erzählt, dass sie unter Wahnvorstellungen leidet, in denen ebenfalls ein Mädchen verschwindet. Hilft Viktor ihr, könnte er im Gegenzug erfahren, was mit seiner Tochter geschah. Zeitgleich beschäftigt sich in Berlin Psychiater Dr. Martin Roth (Trystan Pütter, „Babylon Berlin“) mit dem Fall seines traumatisierten Kollegen – und entdeckt Erschütterndes.
Nichts ist, wie es scheint: Dieser Satz fasst den Kern der Romane von Sebastian Fitzek, allesamt Bestseller, zusammen. Sein Debüt gab er 2006 mit „Die Therapie“. Bis dahin hatte der Berliner Autor immer wieder von Verlagen zu hören bekommen, dass in Deutschland spielende Psychothriller keine Chance auf dem Markt hätten. Ein Irrtum, wie sich herausstellen sollte. Jetzt hat Prime Video seinen Erstling verfilmt. Wie der Roman ist der Sechsteiler bis zur Mitte hin ein wenig verwirrend. Doch wer bis zum Ende von Folge drei durchhält, wird mit einer völlig überraschenden Enthüllung belohnt, die der Story eine enorme Sogwirkung verleiht.
Ebenfalls ein Plus: Anders als die bislang eher wenig gelungenen Fitzek-Adaptionen wie etwa der RTL-Flop „Passagier 23“ bleibt die Serie ganz nah an der Vorlage. Die einzige größere Änderung: Die Rolle des Dr. Roth wurde stark ausgebaut, davon profitiert die Produktion. Die Idee, der Figur des Psychiaters mehr Raum zu geben, stammt vom deutschen Regisseur Thor Freudenthal, der sich mit Serien wie „Quantico“ oder „Carnival Row“ in Hollywood einen Namen gemacht hat. Was macht für Freudenthal „Die Therapie“ so reizvoll? „Der Zuschauer geht mit auf eine emotionale Reise, bei der ihn ständig neue, haarsträubende Wendungen erwarten – Twists, die alles bisher Geglaubte über die Charaktere infrage stellen und sie in neuem Licht erscheinen lassen“, sagt Freudenthal im Gespräch.
Für Stephan Kampwirth war die Rolle des Viktor Larenz „ein Geschenk“, wie er sagt. „Er wird mit der Urangst jedes Vaters und jeder Mutter konfrontiert: Er verliert sein Kind. Die Suche nach der Wahrheit führt zu einer derart irreversiblen Veränderung in Viktors Leben, dass es für ihn kein Zurück mehr gibt“, so der Schauspieler. „Darzustellen, wie er sich mehr und mehr in eine psychisch und physisch lebensbedrohliche Ausnahmesituation begibt, in der er alles zu verlieren droht, war absolut herausfordernd.“ Tatsächlich blickt die Serie in die Abgründe der Seele. Und was sie dort entdeckt, ist nicht nur gefährlich, sondern lässt auch die Grenzen zwischen Realität und Wahnsinn verschwimmen.
"Die Therapie" kann bei Prime Video gestreamt werden.