Mitten in der Krise des Polit-Talks tritt Caren Miosga in der ARD die Nachfolge von Anne Will an. Kann sie die Wende schaffen?
Ein Artikel von HÖRZU-Reporter Thomas Kunze
Der Abschied nach 16 Jahren war nüchtern: Weder wirkte Anne Will, die auf eigenen Wunsch ging, besonders gerührt, noch interessierte sich das TV-Publikum übermäßig für ihre letzte Sendung im Dezember. Mit 3,35 Millionen Zuschauern war die Einschaltquote eher mau. Im Jahresschnitt sank sie sogar erstmals unter drei Millionen. Als Nachfolgerin von Will soll nun Ex-„Tagesthemen“-Moderatorin Caren Miosga frischen Wind in den zuletzt routinierten Sonntagabend-Talk im Ersten bringen (So, 19. Januar, 21.45 Uhr im Ersten).
In ihrer Premierensendung diskutiert Miosga (54) mit dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, ZEIT-Journalistin Anne Hähnig und Soziologie-Professor Armin Nassehi über die CDU. Das Thema der ersten Sendung lautet entsprechend: "Merz richtet die CDU neu aus - wird Deutschlands Zukunft konservativ?"
Die Quoten aller Talkshows fallen seit drei Jahren deutlich (siehe Grafik unten). Und im vergangenen Jahr forderten Programmdirektorin Christine Strobl und die Gremienvorsitzendenkonferenz der ARD (GVK) Reformen. Kritik der Gremien: ein Mangel an Vielfalt Die Kritik der GVK hat es in sich: Die Talkshows von „Anne Will“, „Maischberger“ und „Hart aber fair“ seien inhaltlich zu ähnlich, immer wieder seien es die gleichen Gäste und Themen, es würden die gleichen Zielgruppen angesprochen. „Es genügt nicht, sich nur durch unterschiedliche Moderatoren-Persönlichkeiten zu unterscheiden“, so das Statement des Gremiums. Gefordert wird außerdem, dass die Sendungen stärker auf die Lebenswirklichkeit der Menschen eingehen müssten.
Strobl zielt in die gleiche Richtung: „Eine Neujustierung der politischen Gesprächssendungen ist erforderlich.“ Im Zuge einer Programmreform hat sie den digitalen Umbau mit der Stärkung der ARD-Mediathek ausgerufen: „Wir müssen auch für jüngere Menschen im Digitalen einen Ort des politischen Diskurses anbieten. Damit dies gelingt, müssen wir die unterschiedlichen Konzepte der Talks schärfen, auf Meinungsvielfalt achten, eine Themensetzung für alle Bevölkerungsgruppen anbieten, Gesprächsformen und Gästeauswahl voneinander abgrenzen.“
Hoffnungsträger sind nun Miosga und Louis Klamroth. Der 34-Jährige ist das junge Gesicht unter den Polit-Talkern. „Wir haben da einen ganz neuen Kopf, einen ganz neuen Stil gefunden“, freute sich Strobl zu seinem Start vor einem Jahr. Aber: Seit Klamroth Nachfolger von Frank Plasberg bei „Hart aber fair“ ist, kriselt es. Er hat deutlich an Publikumszuspruch verloren, die Quoten sanken im Vergleich zum Vorgänger um mehr als eine halbe Million. Zuletzt trennte sich der Moderator von der alten Plasberg-Redaktion. Auch Co-Moderatorin Brigitte Büscher verkündete ihren Abschied. Ein Verlust, denn sie stand mit ihrem direkten Kontakt zum Publikum für die gewünschte Bürgernähe.
Klamroth startet im Januar mit seiner Produktionsfirma Florida Factual einen Neuanfang, soll dann verstärkt jüngere Zuschauer in die Mediathek locken. Dazu wird die TV-Sendung am Montag erweitert um eine von Klamroth kommentierte und durch redaktionelle Inhalte ergänzte Version, die dienstags in der Mediathek steht. „Mit dieser Version wenden wir uns gezielt an ein jüngeres Mediathekspublikum und bieten den Zuschauer*innen zudem einen Mehrwert über die Live-Sendung hinaus“, heißt es beim WDR. Nach dem Motto „Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft“ sollen Zuschauer noch stärker eingebunden werden und Politiker mit Bürgern ins Gespräch kommen. „Wir wollen Transparenz schaffen und die Rolle der Mediathek als Ort für politische Debatten stärken“, so der WDR. „Veränderungen wird es bei der Gäste- und Themenauswahl und der Dramaturgie sowie bei der Gestaltung des Studios und dem Look der Sendung geben.“
Sie senden aus einem neuen Studio. Warum haben Sie nicht das von Will übernommen? Das wäre noch mal kostengünstiger.
Das Studio hatte einige Jahre auf dem Buckel. Eine neue Sendung braucht immer auch einen neuen Anstrich. Dabei sind wir insgesamt günstiger – das stand ja in der Zeitung, und ich kann es bestätigen.
Ihre Meinung über den Begriff „PolitTalkshow“?
Ich finde den Begriff „Polit-Talkshow“ nicht angemessen. Inszenierter Krawall passt nicht in diese unruhige Zeit. Stattdessen halte ich es lieber mit einer politischen Gesprächsrunde.