Wahnsinn Wildtierjagd: Wenn Löwen für den Abschuss gezüchtet werden

29.01.2024 um 17:00 Uhr
    Trophäenjäger posieren stolz mit einem von ihnen erlegten Löwen für die Kamera. | © NDR
    Trophäenjäger posieren stolz mit einem von ihnen erlegten Löwen für die Kamera. | ©NDR

    Eine neue ARD-Doku zeigt, was passiert, wenn Tiere zu Trophäen werden. Und wie die Jäger ihr Treiben überhöhen.

    Ein Artikel von HÖRZU-Reporterin Melanie Koch

    Ganz langsam bewegen sich zwei Männer durch Namibias Steppe. Sie folgen einem Gnu. Als es grast, erkennen sie ihre Chance. Ein Blick durchs Visier – dann fällt ein Schuss. „Nachladen!“, brüllt einer, als das verletzte Tier zu flüchten versucht. Doch schon Sekunden später bricht das Gnu tot zusammen. Löwen, Elefanten, Geparden: Zahlreiche Tiere, darunter auch bedrohte Arten, stehen auf der Abschussliste sogenannter Trophäenjäger – Menschen, die töten, um mit den erlegten Tieren anschließend ihr Haus zu dekorieren.

    Die neue ARD-Dokumentation „Tiere als Trophäen“ (Mo, 29. Januar, 20.15 Uhr im Ersten und in der ARD-Mediathek) beleuchtet nun die unterschiedlichsten Aspekte der Trophäenjagd und lässt dabei sowohl die Gegner als auch die Befürworter zu Wort kommen. Denn was Kritiker als blutrünstige Leidenschaft anprangern, wird von den Akteuren oftmals als sinnvoller Beitrag zum Naturschutz verteidigt. Für die Filmemacher ist die Doku ein Herzensprojekt: „Unser Ziel war es, einen kritischen Naturfilm zu machen, der die unterschiedlichen Positionen zum Thema Trophäenjagd widerspiegelt“, sagt Manuel Daubenberger gegenüber HÖRZU. Der investigative TV-Reporter verwirklichte die Produktion gemeinsam mit seinem Kollegen Felix Meschede, mit dem er im Jahr 2021 auch schon die preisgekrönte Dokumentation „Planet ohne Affen“ drehte. Thema damals: der weltweite Handel mit Menschenaffen.

    Für den Abschuss gezüchtet

    Für den neuen Film recherchierten die beiden mehr als zwei Jahre lang, um zu überprüfen, was wirklich hinter der Debatte um die Trophäenjagd steckt. „Gedreht haben wir dann ein Dreivierteljahr in Simbabwe, Namibia und Südafrika, bei der Artenschutzkonferenz in Panama sowie in Deutschland und bei der EU in Brüssel.“ Die Anbieter von Trophäenjagden sehen diese natürlich in erster Linie als lukratives Geschäftsmodell. Interessenten finden sich überall – auch bei uns.

    Deutschland ist der mit Abstand größte Importeur von Jagdtrophäen geschützter Arten in die Europäische Union. Laut Bundesamt für Naturschutz gab es von 2016 bis 2022 insgesamt 4242 Einfuhren, darunter 158 Leoparden, 143 Afrikanische Elefanten und 112 Löwen. Der Bundestag will derlei Importe in Zukunft „auf Basis artenschutzfachlicher Maßgaben insgesamt reduzieren und im Einzelfall ganz verbieten“. Dies geht aus der Antwort auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke im September 2023 hervor. Doch die Nachfrage nach Trophäenjagden bleibt hoch.

    Carlo Engelbrecht ist einer der Anbieter, den die Filmemacher begleiten. Er geht noch einen Schritt weiter als seine Konkurrenten und bietet auch die Jagd auf Löwen an, die extra für den Abschuss gezüchtet wurden. Die Preise für dieses „Abenteuer“ variieren je nach Alter, Geschlecht und Stärke der Tiere. Züchter ist der Farmer Christo Gomes, der ebenfalls in der Doku befragt wird. Warum er sich als Verfechter des Naturschutzes sieht? „Wir südafrikanischen Löwenzüchter schützen die wilden Löwen, weil die Jäger unsere Tiere viel günstiger schießen können als jene in der Steppe.“

    Auf speziellen Farmen werden Löwen eigens für Hobbyjäger gezüchtet. Etwa ein Drittel der afrikanischen Löwen lebt in Zuchtstationen. | ©NDR

    Südafrikanische Tierschützer, mit denen die Filmemacher sprachen, sehen das äußerst kritisch. Ihr Argument: Kein Leben lässt sich gegen das eines anderen Wesens eintauschen. Zudem komme es durch die gezielte Zucht zu genetischen Manipulationen, da die Tiere möglichst imposant aussehen sollen, um als Trophäe später etwas herzumachen. Vorgeblich hehre Motive Für die Doku folgten die Filmemacher auch verschiedenen Kunden auf die Jagd. „Wir haben aufseiten der Jäger viele unterschiedliche Charaktere getroffen“, sagt Manuel Daubenberger. „Es gibt die einen, die schlichtweg Tiere schießen und die Trophäen hinterher an die Wand hängen wollen. Bei ihnen spielt Naturschutz eine untergeordnete Rolle.“

    Dann seien da aber noch die anderen, die meinten, etwas Gutes zu tun. „Diese Jäger sind überzeugt davon, dass die Jagd Geld für Naturschutz einbringt – und für die Menschen vor Ort“, berichtet Daubenberger. „Ärmere Menschen, die in den Jagdgebieten leben, sollen finanziell von der Jagd profitieren.“ Dass das jedoch nur zu einem gewissen Grad funktioniert, fanden die Filmemacher bei Recherchen vor Ort heraus. Von den hohen Einnahmen aus der Trophäenjagd erreicht nur ein sehr kleiner Teil die Einheimischen vor Ort. Emotionale Herausforderung Von Jägern gehetzte Gnus, Löwen hinter Gittern, getötete Elefanten: Die intensiven Bilder der Dokumentation gehen dem Zuschauer unter die Haut. Wie sehr haben die Dreharbeiten auch die beiden Filmemacher mitgenommen? „Vor Ort setzt eine gewisse Gewöhnung ein“, berichtet Manuel Daubenberger. „Aber natürlich macht es emotional etwas mit einem, wenn man dabei zuschaut, wie ein Elefant Stück für Stück zerlegt wird.“