Letztes Jahr hat sie ihr "Höhle der Löwen"-Debüt gegeben und keinen Zweifel daran gelassen, wofür sie steht. Nun werden neue Folgen gedreht und wir haben die Unternehmerin gefragt, wie das so ist mit der klaren Haltung im TV. Ihre Antworten? Spannend, inspirierend - und bewegend.
Tijen Onaran wurde nicht erst mit der beliebten Gründer*innen-Show bei Vox bekannt. Die Karlsruherin, die jetzt in München lebt, investierte schon zuvor, verfügt über eine große Reichweite von Instagram bis Linkedin, hat es mit ihren Büchern in die Bestsellerlisten geschafft und tritt mit ihrem eigenen Unternehmen Global Digital Women für Sichtbarkeit und Diversität ein. Also dafür, dass wir überall und besonders in Führungsebenen, vor Kameras und auf Rednerpulten nicht nur einen Typ Mensch (oder Mann sehen), sondern die ganze Vielfalt, die Deutschland ausmacht.
Mit der "Höhle der Löwen"-Premiere erreichte sie ein neues Level an Bekanntheit. TV-Prominenz. Was das verändert, wenn Folge für Folge Millionen zusehen?
Einiges, wie sie im Interview auf die Frage verriet, wie sie manche aufgeregten Reaktionen von Medien und Zuschauer*innen auf ihre klare Positionierung wahrgenommen hat:
"Ich setze mich ja seit Jahren für die Sichtbarkeit von Frauen ein und für das Aufbrechen von Stereotypen in unserer Gesellschaft. Jetzt war ich sozusagen mein eigenes Beispiel, mein eigenes Lehrstück und man hat an der Presseberichterstattung, aber auch an den Kommentaren im Netz gesehen, dass die inhaltliche Ebene schnell verlassen wird. Es ging um mein Aussehen, die Art wie ich spreche und immer um die Wirkung. Es hieß schnell 'sie ist arrogant, sie redet nur über sich'. Das ist aber ehrlicherweise das Prinzip des Formats, dass wir als Löwen und Löwinnen sagen, was wir bieten, damit die Gründer*innen sich im Idealfall für uns entscheiden. Würde ich Thomas heißen, wäre die Berichterstattung sicher eine andere gewesen, und das ist auch insofern okay, als dass ich ja weiß, worauf ich mich da einlasse."
Ob sie nach den Erfahrungen der ersten Staffel beim Dreh der zweiten etwas ändern will? Zum Glück nicht. Zwar ist jetzt mehr in der Sendung angekommen und will sich noch stärker auf die Verbindung zu den Gründer*innen konzentrieren.
Ihr Fokus bleibt derselbe:
"Für mich ist immer das Allerwichtigste, bei all den Dingen, die ich mache, mich nicht selbst nicht aus den Augen zu verlieren, meinen Prinzipien und Werten treu zu bleiben. Das ist mir so wichtig, weil ich natürlich gutes Business machen möchte in diesem TV-Format - aber für mich auch eine Aufgabe darin sehe, die Themen rund um Vielfalt, Female Empowerment und die Stärkung von Menschen mit Migrationsgeschichte dort aktiv zu platzieren."
Neben den Menschen, die sich an Persönlichem abarbeiten, erlebt Onaran erfreuliches Feedback auf die neue Perspektive, die sie in die Vox-Erfolgsshow einbringt. Auch von Menschen, die sie ohne "Die Höhle der Löwen" vermutlich nicht so schnell erreicht hätte.
"Ich bekam Post, also einen richtigen Brief von - ich sag jetzt mal Dieter - der mir schrieb 'Frau Onaran, ich hab mich noch nicht so mit dem Thema Vielfalt beschäftigt. Mit meinen Freunden geh ich immer Boulespielen und da hab ich mir gedacht, dass die alle irgendwie gleich aussehen und alle Namen haben wie ich. Deswegen hab ich jetzt mal ein paar andere dazu eingeladen.'
Wenn ich durch mein Auftreten in der Sendung bei einem Zuschauer, der sonst weit weg ist vom Thema Diversity, bewirke, dass er darüber nachdenkt und sein Netzwerk vielfältiger gestaltet, habe ich meinen Job gut gemacht."
Erstaunlich, schön und, ja, bewegend, was ein paar TV-Showfolgen verändern können.
Natürlich haben wir die ehemalige FDP-Kandidatin auch danach gefragt, wie sich das Klima und die Reaktionen in Zeiten des traurigen Aufstiegs rechter Kräfte verändert hat und wie man damit umgeht.
"Als ich vor vielen Jahren politisch aktiv war und vorm Edeka Rosen verteilte, um die Leute zu überzeugen, mir ihre Stimme geben, habe ich exakt die Diskussion geführt, die wir heute führen. Zwar nicht in der Schärfe, aber da hieß es auch schon: 'Wo kommen sie denn eigentlich her und wie ist das mit ihrer Religion und wie leben ihre Eltern?' Nur war das ein analoges Gespräch. Heute ist das Ganze viel sichtbarer, weil sich jeder einen Account zulegen und anonym im Netz kommentieren kann. Sehr schnell bekommen Statements eine unfassbare Geschwindigkeit, die du gar nicht mehr auffangen kannst. Deswegen ist es so wichtig, dass du dir dessen bewusst bist und für dich schon einen Handwerkskasten bereitstellst und vorab überlegst, wie reagiere ich darauf."
Onaran legt in diesem Jahr besonderen Wert darauf, ihre Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit für gesellschaftspolitische Themen zu nutzen, weil wir, wie sie so richtig anmerkt, "in einer Zeit leben, wo wir uns alle einsetzen müssen für die Demokratie".
Daher auch der kürzliche Auftritt in der ARD-Sendung "hart aber fair", der sich anzusehen lohnt. Ein weiterer Schritt in Sachen Positionierung - und Inspiration, wenn man wie Onaran anderen durch die eigene Geschichte zeigen will, was möglich ist. Für Frauen, für Unternehmer*innen mit Migrationsgeschichte, für Menschen, die sich für etwas einsetzen:
Die Reaktionen auf diesen Auftritt?
"Ich muss sagen, dass ich überrascht war, wie wahnsinnig positiv die Rückmeldungen waren. Ich habe unfassbar viele Nachrichten bekommen zu dieser Sendung. Nur zwei gingen in die Richtung 'Geh dahin zurück, wo du herkommst'. Nun, Karlsruhe ist eine tolle Stadt, aber ich lebe einfach gerne in München."
Zum Schluss zurück zur Titelfrage. Wie politisch darf oder muss man sein im TV in unseren herausfordernden Zeiten? Auch darauf hat Onaran, die im ganzen Interview als angenehm unaufgeregte, freundliche, aufmerksame und kluge Gesprächspartnerin überzeugt, eine klare Antwort:
"Früher hätte ich geantwortet, es ist jedem selbst überlassen. Heute würde ich sagen, dass es drauf ankommt, als Person der Öffentlichkeit Stellung zu beziehen. Du kommst ohnehin nicht daran vorbei. Politik ist in unserem Alltag sichtbar wie nie. Daher wünsche ich mir auch von Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, dass sie dieses Privileg der Reichweite, der Sichtbarkeit und der Öffentlichkeit viel stärker nutzen.
Es ist natürlich nicht jedem in die Wiege gelegt, sich politisch einzubringen. Aber du musst nicht jedes Parteiprogramm auswendig kennen, um mitdiskutieren zu können. Um eine Haltung zu haben und dafür einzustehen, selbst wenn der Wind schärfer wird. Das ist Teil des Jobs von Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, wofür die meisten sich ja bewusst entscheiden. Es ist Teil des Jobs, Stellung zu beziehen, weil Menschen ohnehin eine Meinung von Dir hören wollen. Ganz besonders jetzt, wo viele nach Orientierung suchen. Deswegen ist es unsere Aufgabe - und ich sehe es als großartige Chance."
Die wird sie sicher u.a. in der neuen "Die Höhle der Löwen"-Staffel nutzen, für die es zwar noch keine konkreten Sendetermine bei Vox gibt, die aber vermutlich im April starten wird.
Wir wünschen viel Erfolg und wünschen uns (noch) mehr Menschen in der Öffentlichkeit, die ihrem Beispiel folgen und Haltung zeigen.