Rotwein gut fürs Herz? Doc Caro klärt auf: Medizin-Mythen im Check

19.12.2023 um 12:45 Uhr
    Mit Herz, Hirn und Humor vermittelt die Rettungsärztin Dr. Carola Holzner Medizinwissen. | © RTL
    Mit Herz, Hirn und Humor vermittelt die Rettungsärztin Dr. Carola Holzner Medizinwissen. | ©RTL

    Bei medizinischen Themen sind zahlreiche Mythen im Umlauf. Deutschlands bekannteste Notärztin Dr. Carola Holzner sagt, was stimmt und was nicht.

    Regelmäßig fliegt die erfahrene Medizinerin für die ADAC Luftrettung mit dem Hubschrauber „Christoph 10“ zu Notfällen: Dr. Carola Holzner, hierzulande bekannt durch die Dokuserie „Doc Caro: Jedes Leben zählt“ (Vox). Dazu kann man sie im Podcast „Doc Caro: Der Podcast“ (plus.rtl.de) hören. Die 41-jährige Mutter von zwei Kindern und Oberärztin in einer Duisburger Klinik möchte aufklären sowie Hintergründe verständlich machen: „Damit jeder selbst einschätzen kann, ob Redensarten oder der Wahnsinn, den Dr. Google teilweise von sich gibt, stimmen können.“ Aus diesem Grund nimmt sie in ihrem Ratgeber „Bleibt das Herz stehen, wenn man niest?“ häufige Aussagen und Fragen zur Gesundheit (siehe Buchtipp) aufs Korn. Hier einige ihrer spannenden und humorvollen Antworten.

    ◼ Rotwein und Schokolade sind gut fürs Herz

    So einfach ist es nicht. Das Resveratrol im Wein und die Flavone in der Kakaobohne sind Polyphenole: Diese sekundären Pflanzenstoffe stärken zwar das Immunsystem, hemmen Entzündungen und senken den Blutdruck. Aber: Schokolade enthält auch viel Fett – und Wein keineswegs gesunden Alkohol. Besser sind Polyphenol-Lieferanten wie Beeren, Nüsse, Äpfel oder auch Tee.

    ◼ Knochenknacken schadet den Gelenken

    „Schlimm ist Knochenknacken für die Menschen, die sich das anhören müssen“, so Doc Caro. Möglicherweise baut es Spannungen ab, aber eben nur bei dem, der knackt, nicht bei den Mitmenschen. Aber: Es schädigt nicht die Gelenke. Auch jahrelange Knackerei führt nicht häufiger zu Arthritis (Gelenkentzündung) oder Arthrose (Knorpelverschleiß).

    ◼ Kälte erzeugt Erkältungen

    Eher nicht. Mit solchen Drohungen sind wir alle aufgewachsen: Wer die Haare nicht föhnt, bekommt Schnupfen. „Erkältung aber ist eine Virusinfektion“, so Dr. Holzner, „übertragen werden die Viren durch Tröpfcheninfektion. Nasse Haare sind denen egal.“ Allerdings trocknet Kälte, ebenso wie Heizungsluft, die Schleimhäute aus: Das schwächt ihre Abwehrkraft gegen Erreger. Auch bekannt: Ein nasser Badeanzug führt zu Blasenentzündung. Nein! Aber im feuchten Klima können sich Bakterien, die eine Blasenentzündung auslösen, leicht vermehren. Daher ist trockenes Badezeug ratsam.

    ◼ Bleibt das Herz stehen, wenn man niest?

    Nein. Das explosionsartige Ausatmen kann sich anfühlen, als gerate das Herz kurz aus dem Takt. Wenn der Vagusnerv, der zum vegetativen Nervensystem gehört, gereizt wird, kommt es vor, dass Atmung und Herz schlag sich verlangsamen. Selbst bei anhaltendem Niesen schlägt das Herz weiter. Niesen ist ein Reflex, der die oberen Atemwege reinigt. Hauptursache für Herzstillstand sind gestörte Herzkranzgefäße aufgrund von Verkalkung, Herzinfarkt oder Herzrhythmusstörungen.

     

    Buchtipp: Carola Holzner Bleibt das Herz stehen …? Fischer 320 S., 18 Euro 

     ◼ Der blaue Strich auf dem Arm ist eine Blutvergiftung

    „Unter die Gruselgeschichte vom blauen oder roten Strich, der langsam zum Herz wandert, ziehen wir mal einen Schlussstrich!“, fordert Dr. Holzner. Eine Blutvergiftung, fachlich Sepsis, ist lebensbedrohlich und dritthäufigste Todesursache in Deutschland. Auslöser: Eine Entzündung oder Infektion – meist stecken Bakterien dahinter –, aber auch Viren oder Pilze können dazu führen. „So eine Sepsis ist ein Notfall, da hat man keine Zeit, einem blauen Strich beim Wandern zuzusehen“, warnt sie. Zu den Symptomen einer Blutvergiftung gehören: Der oder die Betroffene wirkt verwirrt und unruhig. Die Atmung ist schnell und flach, der Blutdruck sehr niedrig bei 100 mmHg oder tiefer und der Puls häufig beschleunigt. Dann heißt es: Sofort ins Krankenhaus! Das Körperzeichen einer blauen oder roten Linie gibt’s aber tatsächlich: Es kann auf eine Entzündung der Lymphgefäße deuten, verursacht durch eine kleine Verletzung wie einen Insektenstich. Die farbige Linie ist das unter der Haut sichtbar gewordene Lymphgefäß. Kein Notfall, aber bitte zum Arzt damit, eventuell ist ein Antibiotikum ratsam.

    ◼ Reinigt Darmreinigung wirklich den Darm?

    Nein, sie reinigt nicht das lange Verdauungsorgan. Doc Caro hält sie auch nicht für sinnvoll: „Unsere Darmflora, auch Mikrobiom genannt, ist ein Ökosystem. Diese Lebensgemeinschaft von Bakterien, Pilzen, Viren ist absolut schützenswert.“ Richtig ist, dass Gesundheit im Darm beginnt. Eine abwechslungsreiche Ernährung hilft ihm. Nach einer Darmspiegelung sollte das Mikrobiom durch probiotische Bakterien (Naturjoghurt, Kefir) und präbiotische Ballaststoffe (in Chicorée, Lauch, Zwiebeln) beim Wiederaufbau unterstützt werden.

    ◼ Bei Nasenbluten Kopf in den Nacken?

    Bitte nicht! „Das machen immer noch viele“, wundert sich die Ärztin. Statt Blut zu schlucken, lieber den Kopf nach vorn beugen, um es abfließen zu lassen. Einen kalten Waschlappen oder ein Kühlpack auf den Nacken legen, dann ziehen sich die Blutgefäße schnell wieder zusammen. Alternativ: Nasenloch für einige Minuten zudrücken.

    ◼ Entstehen durch Stress Magengeschwüre?

    Ärger, Kummer und Überforderung sind auf Dauer nicht gesund und können den Appetit verleiden. Doch ein Magengeschwür bildet sich durch eine Entzündung der Magenschleimhaut. Meist ist das Bakterium Helicobacter pylori schuld. „Auch Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum greifen die Magenschleimhaut an und können Ursache für eine Entzündung sein“, mahnt die Medizinerin.

    ◼ Nieren soll man immer warm halten

    Wärme verbessert die Durchblutung, das regt den Stoffwechsel an. Die Nieren arbeiten so tatsächlich besser. Hauptjob der Organe ist das Entgiften, dafür produzieren sie den Urin. „Die von Oma angedrohte Nierenbeckenentzündung entsteht aber nicht durch Kälte“, weiß Doc Caro, „sondern durch Keime. Die gelangen meist über die Harnwege in die Nieren und führen zu einer Entzündung.“

    Betttina Koch