"Eisige Welten II": Die spektakuläre TV-Doku soll die Augen öffnen

08.01.2023 um 12:54 Uhr
    Kaiserpinguine am kalten Südpolarmeer. | © Imago
    Kaiserpinguine am kalten Südpolarmeer. | ©Imago

    Die spektakuläre Doku „Eisige Welten II“ führt in einen der am stärksten gefährdeten Lebensräume – zu Eisbären und Pinguinen.

    Die kleine Robbe blinzelt neugierig aus ihren Knopfaugen in den bleigrauen Himmel. Sie hat erst vor wenigen Tagen das Licht der Welt erblickt und räkelt sich tapsig auf dem Eis vor Grönlands Küste. Ihr weißes Fell dient als Tarnung und ist zugleich der einzige Schutz vor der Kälte. Das noch hilflose Sattelrobbenbaby wartet auf die Rückkehr der Mutter. Endlich taucht sie aus den Fluten auf. Die Begrüßung ist zärtlich, Nase an Nase. Dann sucht das Kleine eine Zitze, um die gehaltvolle Milch zu nuckeln. Es muss sich eine Speckschicht anfuttern, um nicht zu erfrieren. Nur zwölf Tage hat das Baby dafür Zeit, bevor es sich selbst überlassen wird. Solche Szenen gehören zu den Höhepunkten der sechsteiligen Naturdoku „Eisige Welten II“ (ab Sonntag, 8. Januar, 20.15 Uhr im ZDF).

     Vor mehr als zehn Jahren gelang mit dem Vorgänger „Eisige Welten“ die bis dahin größte Filmexpedition, jetzt setzt die internationale Koproduktion neue Maßstäbe. Mehrere Kamerateams lieferten an insgesamt 2188 Drehtagen atemberaubende Bilder. Die Schauplätze liegen auf allen Kontinenten. Kameradrohnen sorgen für völlig neue Blickwinkel und zeigen sowohl die Landschaften als auch das Verhalten der Tiere aus der Luft. GPS-programmierte Drohnen flogen bestimmte Routen mehrfach ab, um etwa Veränderungen auf dem Meereis zu erfassen – sogar über Jahre hinweg. Wärmebilddrohnen folgten den Tieren in der Nacht. Für Unterwasserszenen setzten die Teams auf Kreislauftauchgeräte, die keine Luftblasen erzeugen. So glückten intime Bilder von Sattelrobbenbabys bei ihren ersten Schwimmversuchen, von Belugawalen und Orcas im Eis.

    Das Reich der Kälte gehört zu den gefährdetsten Lebensräumen der Erde

    Doch die neue Doku soll nicht nur mit schönen Aufnahmen glänzen, sondern auch die Augen öffnen. Denn das Reich der Kälte gehört zu den am meisten gefährdeten Lebensräumen der Erde. Nirgendwo sonst sind die Auswirkungen des Klimawandels so dramatisch sichtbar. Das Sattelrobbenbaby etwa braucht viel Glück, um die ersten Wochen zu überleben. Durch die Erderwärmung wird das Packeis vor Grönland immer dünner und zerbrechlicher. Dem Nachwuchs schmilzt buchstäblich die Kinderstube weg. Die Stürme nehmen zu und fegen hilflose Jungtiere ins arktische Wasser. Sie sterben, ehe sie stark genug sind, sich selbst zu versorgen.

    Auch an Land sind die Folgen des Klimawandels unübersehbar. Prof. Alun Hubbard, Glaziologe an der Arktischen Universität Norwegen, erforscht seit mehr als 30 Jahren die Gletscher entlang der grönländischen Küste. Die Doku zeigt, wie er fassungslos neben mächtigen Schmelzwasserströmen steht. „Die Oberfläche schmilzt immer“, erklärt der Forscher. „Doch nicht in diesem Ausmaß.“ Blaue Seen bedecken die Gletscheroberfläche, wie reißende Bäche strömen Wassermassen übers Eis und bohren tiefe Schächte in den bis zu drei Kilometer dicken Eisschild. Das Schmelzwasser wirkt wie ein Gleitmittel und lässt die Gletscher schneller in Richtung Meer rutschen. „Da sich das Klima erwärmt, ist die Geschwindigkeit, mit der dieser Eisschild abfließt, absolut kritisch“, warnt Alun Hubbard. „Er enthält genug Wasser, um den globalen Meeresspiegel um über sieben Meter anzuheben, und das wäre eine totale Katastrophe für die Menschheit.“

    "Eisige Welten II": Planet im Wandel

    Für die Tierwelt ist die Lage schon heute beängstigend. Auch die Ikonen der Arktis, die Eisbären, brauchen eine gefrorene Wasseroberfläche, um von dort aus Robben zu jagen. Durch die immer längeren eisfreien Sommer müssen sie große Strecken schwimmen und an Land gehen, wenn sie Nahrung finden wollen. So gilt die Wrangelinsel in Russland als eines der letzten Refugien der arktischen Räuber. Dort tummeln sich Hunderte Männchen, die sich nicht scheuen, in ihrer Not auch die Jungtiere ihrer Artgenossen zu töten.

    Vom Nordpol zum Südpol

    Am anderen Ende der Welt sieht es nicht besser aus. Kameras begleiteten eine Antarktis-Expedition. Das internationale Glaziologen-Team untersuchte das schwimmende Schelfeis des Thwaites-Gletschers. Noch hält es Eismassen von der Größe Floridas zurück. Wegen warmer Meeresströmungen schmilzt dieser Damm, gefährliche Risse entstehen. Wie sehr sich das Klima rund um den Südpol verändert, spüren auch die Adeliepinguine. Eine der größten Kolonien der eigentlich robusten Vögel lebt auf der westlichen Seite der Antarktischen Halbinsel. „Vor 40 Jahren gab es in diesem Gebiet 20.000 Adeliepinguine, heute nur noch etwa 400 Brutpaare“, beklagt Prof. Bill Fraser von der Polar Ocean Research Group. „Eines der Probleme, mit denen sie derzeit zu kämpfen haben, sind die zunehmenden Regenfälle.“ Das Wasser dringt in die Daunen der Küken ein und raubt ihnen den Schutz vor der Kälte. „Sie sind klatschnass“, kommentiert Fraser die Bilder von zitternden Jungvögeln. So haben die Schwächsten unter ihnen kaum Chancen zum Überleben.

    Eisige Kälte, gewaltige Stürme, Leben am Limit – die weiße Weite fasziniert und ängstigt zugleich. Wird es gelingen, diesen einzigartigen Lebensraum zu retten? Die aufwendige Naturdoku lässt uns mitfühlen und miterleben, was in diesen eisigen Welten passiert, die für die meisten unerreichbar bleiben. Welten, die zu verschwinden drohen, während wir sie erst entdecken – und die durch den Klimawandel das Leben auf dem gesamten Planeten verändern könnten.

    „Eisige Welten II“: Sechsteilige TV-Doku, ab Sonntag, 8. Januar, 20.15 Uhr im ZDF