Ein Herz für sanfte Riesen: Das Krankenhaus für Seekühe in Puerto Rico

23.01.2023 um 14:59 Uhr
    Die knuffigen Tiere, eng mit Elefanten verwandt, bezaubern durch Gemütlichkeit | © Imago
    Die knuffigen Tiere, eng mit Elefanten verwandt, bezaubern durch Gemütlichkeit. | ©Imago

    Sie könnten leben wie im Para dies. Sich einfach im warmen Wasser treiben lassen, am See ­ gras knabbern. Wellness rund um die Uhr. Karibische Rundschwanzseekühe, auch Manatis genannt, sind der Inbegriff der Gemütlichkeit.

    Beneidenswert? Nicht ganz. Denn in den Gewässern der Karibik lauern tödliche Gefahren: Motorboote! Wenn die sanften Riesen dicht unter der Wasseroberfläche dahin ­ gleiten, geraten sie immer öfter in Schiffsschrauben oder werden einfach gerammt. Letzte Hoffnung ist dann die Seekuhklinik auf Puerto Rico. Im Caribbean Manatee Conservation Center kümmern sich Tierärzte, Techniker und über 100 Freiwillige um verletzte oder verwaiste Meeressäuger.

    Sie werden behandelt und aufgepäppelt, um in ihre natürliche Umgebung zurückkehren zu können. Eine Doku be ­ gleitet den Alltag in dieser weltweit einzigartigen Auffangstation (siehe Arte-Doku unten). „In dem Film liegt der Schwerpunkt auf der Naturschutzarbeit, und als Beispiel dafür wird der Fall der panamaischen Seekuh Moana gezeigt“, erklärt Dr. Antonio Mignucci, Leiter des Centers und Professor für Meereswissenschaften an der Interameri kanischen Universität von Puerto Rico.

    Rettungsflug in die Klinik

    Moanas Schicksal steht für so viele andere der bedrohten Giganten. Das Seekuhkalb wird verletzt an einem Strand in Panama gefunden. Ist die Mutter tot? Hat sie ihr Kind verlassen, als sie vor Booten floh? Fest steht: Ohne menschliche Hilfe hat Moana keine Überlebenschance. Auf einer speziell für den Transport entworfenen Trage tritt sie die Flugreise nach Puerto Rico an, die ganze Zeit versorgt mit Sauerstoff und frischem Wasser. Seekühe leben zwar im Meer, atmen aber über Lungen und tauchen meist alle zwei bis drei Minuten auf, um Luft zu holen. Und sie müssen trinken: Süßwasser! Deshalb halten sie sich meist in der Nähe von Flussmündungen auf. Für Moana zählt jede Minute, bis sie ihr neues Zuhause beziehen kann – eines der vier Spezialbecken für Seekuhkälber und Schildkröten im Conservation Center.

    An den Plastikschnuller muss sich Moana erst gewöhnen. | ©Arte

    Die Kleine wird untersucht, beschmust und mit dem Fläschchen gefüttert. Nur keine Aufregung, denn die Tiere sind sehr stressanfällig. In freier Natur nuckelt der Nachwuchs mehr als ein Jahr lang an den Zitzen der Mutter. In der Auffangstation gibt es Ersatzmilch, die für Menschen entwickelt wurde, ergänzt durch weitere Nährstoffe, Eiweiß und Honig. Für ältere Patienten stehen Salat mit Seegras und Obst auf dem Speiseplan. Sieben Prozent ihres Körpergewichts futtern Seekühe pro Tag. Rund vier Jahre dauert es, bis die Kälber groß und stark genug sind, um in die Freiheit entlassen zu werden. Ausgewachsene Exemplare können drei Meter lang wer den.

    Der Kontakt zum Center reißt aber nicht ab: Ein Sender, der am löffelförmigen Schwanz befestigt ist, liefert Signale an einen Satelliten: Wo halten sich die Manatis auf? Wann sind sie aktiv? Solche Daten sollen helfen, sie besser zu verstehen und zu schützen. Denn im Manatee Conservation Center geht es nicht nur um die Rettung einzelner Tiere, sondern ebenso um die Erforschung der Karibischen Seekuh, die im Jahr 2013 sogar zum Nationalsäugetier von Puerto Rico erklärt wurde. Sorgenkinder wie Moana brauchen viel Pflege und Geduld. Nicht immer haben die Geschichten ein Happy End. „Manchmal überleben sie nicht. Das ist die Kehrseite unserer täglichen Arbeit“, berichtet Dr. Antonio Mignucci. „Und wir müssen mit diesem Schmerz klarkommen.“ Die Arbeit im Krankenhaus für Seekühe geht trotzdem weiter, auch wenn es manchmal wehtut. Nur so haben die sanften Riesen der Karibik eine Zukunft.

    TV-Doku bei Arte: "Puerto Rico: Ein Krankenhaus für Seekühe"