Freispruch für den Fuchs: Experten zeichnen ein neues Bild unseres wilden Nachbarn
Nein, gut ist sein Ruf nicht. Der Fuchs gilt als hinterlistiger Hühnerdieb, spielt in Märchen und Fabel den bösen Verräter. Kinderlieder wie „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ stellen ihn an den Pranger. Doch die deutschen Fuchsexperten Dag Frommhold und Daniel Peller widmen ihr neues Buch (Die Weisheit der Füchse) jetzt der Ehrenrettung des Gescholtenen. Selbstlos, liebevoll und fürsorglich soll er sein – und ein Überlebenskünstler. Jahrhundertelang galt „Reineke Fuchs“ als Einzelgänger, der auf der Jagd nach Beute allein durch die Wildnis streift. Ein Irrtum! „Füchse beweisen zumindest während der Welpenaufzucht durchaus Familiensinn“, erklärt Daniel Peller, der seit 2017 ein bundesweites „Fuchshilfsnetz“ betreibt.
Wenn meist im März nach rund 53 Tagen Tragzeit der Nachwuchs auf die Welt kommt, spielen sich im geschützten Bau rührende Szenen ab. Die Mutter leckt ihre handtellergroßen Fellknäuel trocken, dann erobern die Kleinen noch wackelig die Zitzen mit der gehaltvollen Muttermilch. Sie wiegen nur 100 Gramm, so viel wie eine Tafel Schokolade, sind zunächst blind und taub. „Nicht einmal ihre Körpertemperatur können sie selbstständig aufrechterhalten“, erklärt Peller. „So hängt ihr Überleben von der Pflege und Wärme ihrer Mutter ab.“ Wenn sie mal den Bau verlassen muss, kuscheln sich die Welpen wimmernd zusammen. „Die Füchsin, Fähe genannt, muss sich beeilen, denn mit jeder Minute ihrer Abwesenheit wächst die Gefahr für ihre Kinder“, so Daniel Peller. Feinde lauern schon.
Diese Anpassungsfähigkeit macht es dem Fuchs leichter, neue Lebensräume zu erobern und sich sogar in Großstädten wie Berlin wohlzufühlen. Zutraulich wird er dort aber nicht. Er begegnet den Menschen mit Vorsicht – eine Folge der jahrhundertelangen intensiven Bejagung. „Die Nachstellungen durch Jäger mit weitreichenden Schusswaffen haben Füchse gelehrt, dass die Gegenwart eines Menschen ihnen schon aus erheblicher Distanz den Tod bringen kann“, erklärt Daniel Peller diese Scheu. „Es ist daher nur logisch, dass sie die Nähe zu Menschen meiden und panisch flüchten, schon wenn sie uns mit ihren feinen Sinnen aus Hunderten Metern Entfernung wittern, erspähen oder hören.“ Eine verständliche Reaktion. In der Jagdsaison 2020/2021 wurden in Deutschland 459.284 Rotfüchse erlegt. Aber Reineke hat gelernt, dem Menschen mit Raffinesse auszuweichen und dennoch eng mit ihm zusammenzuleben.
TV-Doku zum Thema: "Paula und die wilden Tiere: Wie schlau ist der Fuchs?" Hier in der BR-Mediathek streamen.