Die unsichtbare Gefahr: Mikroplastik lauert überall

    Die unsichtbare Gefahr: Mikroplastik | © Imago
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    Forscherteams sind den winzigen Kunststoffteilchen auf der Spur. Wo kommen sie her? Und wie schädlich könnten sie sein?

    Man sieht es nicht, und doch ist es überall: im Schnee der Alpengipfel, im Wasser unserer Flüsse und Meere, im Boden. „Wir atmen sogar Mikroplastik ein“, erklärt Prof. Christian Laforsch von der Universität Bayreuth. Eine neue Doku begleitet ihn und die Teams des Sonderforschungsbereichs Mikroplastik bei der Arbeit. Die tückischen Teilchen messen weniger als fünf Millimeter, die meisten kann man nur unter dem Mikroskop aufspüren. „Außerdem ist Mikroplastik nicht gleich Mikroplastik“, betont Laforsch. „Dahinter verbirgt sich ein sehr heterogener Stoff mit unterschiedlichen Eigenschaften.“ Es kommt auf die Herkunft an, auf Größe, Form und beigemengte Chemikalien.

    Die Experten unterscheiden primäres Mikroplastik, das schon in dieser Größe in die Umwelt gelangt, und sekundäres, das erst durch die Zersetzung größerer Teile wie etwa Einwegflaschen entsteht. AUF SPURENSUCHE Woher stammt das ganze Mikroplastik? Im Mittelpunkt der Diskussion stehen oft Kosmetika wie Peelings und Shampoos oder Textilien wie Fleecepullis, deren Fasern sich beim Waschen lösen. Doch Studien des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik kommen zu anderen Ergebnissen. Mit großem Abstand liegt der Abrieb bei Reifen vorn (siehe Auflistung rechts). Bei jeder Fahrt, egal ob mit Auto oder Fahrrad, lösen sich kleinste Teilchen. Kosmetika folgen bei dieser Liste erst auf Platz 17. „Das sind allerdings nur Hochrechnungen“, stellt Ökologe Laforsch klar. „Bei Reifen ist bekannt, wie viele verkauft werden und wie hoch der Abrieb pro Jahr ist.“ Daraus lassen sich die freigesetzten Mengen statistisch errechnen.

    Quelle: Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT | © Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT

    Grundsätzlich gilt: Überall, wo Kunststoff zum Einsatz kommt, gibt es Quellen für Mikroplastik – etwa bei Wasserrohren, die auf Baustellen zurechtgeschnitten werden. Christian Laforsch gibt zwei praktische Beispiele aus unserem Alltag: „Auch wenn wir daheim auf einem Plastikbrett die Lauchzwiebel schneiden oder den Plastikdeckel einer Wasserflasche aufschrauben, entsteht derartiger Abrieb.“ Um die Furchen auf dem Schneidebrett zu erkennen, braucht man nicht mal ein Mikroskop. „Eine wichtige Quelle ist außerdem alles, was wir in den letzten 70 Jahren unsachgemäß entsorgt haben“, warnt der Experte.

    Der Müll kehrt zurück  auf unsere Teller

    Plastiktüten, Flaschen und Verpackungen verrotten nicht, sondern werden mit der Zeit von Wind, Wasser und Witterung klein gemahlen. „Aus jedem achtlos weggeworfenen Kunststoffteil entsteht irgendwann Mikroplastik.“ Dann treten die Partikel ihre Reise an: Wind wirbelt sie von Sport- und Spielplätzen in die Luft, Regen spült Reifenabrieb von der Straße, Peelings und Shampoos fließen in die Kanalisation. Kläranlagen filtern zwar einen Teil heraus, viel Mikroplastik bleibt jedoch im Klärschlamm hängen. „Wenn der als Dünger auf Agrarflächen ausgetragen wird, landen die Partikel auf unseren Feldern“, so Laforsch. Letztlich kehrt der Müll so zu uns zurück – auf den Teller.

    Arte-Doku aus der Reihe Re: "Mikroplastik auf der Spur"

    Wie wirkt sich Mikroplastik dann in unserem Körper aus? „Das meiste landet in unserem Verdauungstrakt und wird zum Großteil wieder ausgeschieden“, sagt Ökologe Christian Laforsch. „Man kann auch nicht pauschal von einem bestimmten Effekt sprechen, denn es kommt immer auf die Eigenschaften der jeweiligen Partikel an.“ Ein rundes Teilchen rutscht leichter durch unseren Verdauungstrakt, scharfkantige Teilchen und Fasern bleiben eher im Gewebe hängen. Außerdem gilt: Je kleiner ein Partikel ist, umso mehr steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er von den Zellen aufgenommen wird.

    Mit aufrüttelnden Bildern macht die gebürtige Mecklenburgerin und Einhandjolle-Junioren-Weltmeisterin Hannah Anderssohn (Foto) auf die Plastikflut in den Ozeanen aufmerksam. Sie zählt aktuell zu den ersten zehn Profis im Wassersport, die das Kunstprojekt TAINTEDoceanLOVE begleiten. | ©Imago

    Ein Team des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) und der Uni Hamburg konnte jetzt Mikroplastik in menschlichem Lebergewebe nachweisen. Forschende der Uni Amsterdam stellten die Plastikteilchen in menschlichem Blut fest. Welche Gefahren die kleinen Fragmente wirklich für unsere Gesundheit bedeuten, ist aber noch weitgehend unklar. Erhöhen sie das Entzündungsrisiko? Kommt es zu Gewebeveränderungen? Wirken die anhaftenden Schadstoffe giftig? Auch solche Fragen sollen im Sonderforschungsbereich Mikroplastik der Universität Bayreuth geklärt werden