Seit drei Jahrzehnten ermittelt Georg Wilsberg mit scharfem Verstand, trockenem Humor und einer ordentlichen Portion Chaos. Die ZDF-Krimireihe um den verschrobenen Antiquar aus Münster begeistert Millionen von Zuschauerinnen und Zuschauern, ohne auf blutige Gewalt oder Schockmomente zu setzen. Stattdessen punktet „Wilsberg“ mit einer gelungenen Mischung aus Spannung und augenzwinkernder Komik. Anlässlich des 30. Jubiläums blickt HÖRZU-Autor Kai Riedemann auf die Erfolgsgeschichte der Kultserie zurück – von den bescheidenen Anfängen bis zu den heutigen Quotenrekorden.
Helden sehen anders aus. Doch auch zerknittert, knurrig und stets pleite lieben ihn die Zuschauer. „Münsteraner Schussel“ nennt das ZDF seinen erfolgreichen Privatschnüffler Wilsberg, der seit 30 Jahren eine Nase für Verbrechen hat. Quotenrekord: 8,79 Millionen! In Folge 85 muss sich der wortkarge Detektiv um seinen Freund Ekki kümmern, der sich an einem nur scheinbar harmonischen Ort eine Auszeit gönnt.
„Und die Toten lässt man ruhen“ hieß der Auftakt am 20. Februar 1995, damals noch mit Joachim Król als Georg Wilsberg. Der fuhr ein altes Käfer-Cabrio und handelte mit Briefmarken. Seit 1998 schlüpft Leonard Lansink (69) in die Rolle, ist in seinem Bücherantiquariat zu Hause und radelt durch Münster. Anders als im Titel der ersten Folge lässt er die Toten nicht ruhen.
Was macht die Krimiserie seit drei Jahrzehnten so erfolgreich? „Wir vermeiden die grausamsten Dinge, die etwa der ,Tatort‘ zeigen kann“, vermutet Leonard Lansink. Schockszenen? Spritzendes Blut? Nein danke! „Außerdem funktioniert unsere Mischung aus Krimi und Komödie.“ Ein drittes Erfolgsgeheimnis: die familienähnliche Struktur der Hauptpersonen. „Anna Springer als strenge Mutter, Wilsberg als netter, manchmal grober Vater und die beiden ,Kinder‘ Ekki und Tessa, die ein wenig ungezogen sind“, so beschreibt Lansink die Familie. Dann gibt es noch „Cousin“ Overbeck, der zwar dazugehört, den man aber nicht so gern sieht. „Diese Figuren sind enorm wichtig. Wilsberg allein wäre ein bisschen wie Columbo.“ Immerhin ein echter Westfalen-Columbo. Doch die Mischung macht’s. „Wir mögen uns ja auch“, betont Lansink. „Die Zuschauer spüren das Vergnügen, das wir beim Dreh haben.“
Wie wichtig er selbst für den Erfolg ist, verschweigt Lansink in unserem Interview. Vielleicht aus Bescheidenheit. Der in Hamm geborene Schauspieler gilt als Idealbesetzung. Mit Leichtigkeit gelingt ihm die Gratwanderung zwischen Ernst und Humor, zwischen Schusseligkeit und Cleverness. Wilsberg scheint seinen Gegnern hoffnungslos unterlegen, doch nach 90 Minuten steht er trotzdem als Sieger da. „Das Schöne ist ja, dass man sich so gut mit ihm identifizieren kann“, betont der Schauspieler. „Wilsberg ist eben ein Allerweltsmensch.“ Und deshalb stets unterschätzt.
„Er war mal dicker“, gesteht Lansink und schmunzelt. „Außerdem muss er mit meinen Gebrechen leben: zwei künstliche Hüftgelenke, ein verschraubtes Sprunggelenk. Das ist nicht mehr der flotte jugendliche Gang. Aber den hatte er nie so richtig. Wilsberg muss mit mir leben, tut mir leid für ihn. Er hätte auch gern mehr Haare auf dem Kopf.“ Den trockenen Humor des Antiquars scheint auch sein Darsteller zu haben. Ein typischer im Januar geborener Steinbock? „Früher standen auf der Verpackung von Zuckerstückchen immer Horoskope“, erinnert sich Lansink. „Da hieß es bei mir als Steinbock: ernst, schweigsam, klug. Das ist schon so. Ich bin nicht der witzigste Mensch, und schweigsam bin ich gern. Wilsberg muss im Film mehr reden als ich.“
Auch die Stadt ist ein Star. Münster mit seinem Mix aus historischer Altstadt und jungem Universitätsflair bietet reichlich passende Schauplätze. Kein Wunder, dass Besucher hier auf kriminellen Spuren wandeln können. Spezielle Rundgänge führen zu den Originaldrehorten legendärer Fälle. Zweimal im Jahr wird Münster zur „Wilsberg“-Kulisse. „Wir drehen im Doppelpack“, verrät Leonard Lansink. „Zwei Filme im Frühjahr, zwei im Herbst. Ab März geht es wieder los.“ Für Nachschub ist also gesorgt, zumal fünf weitere Fälle bereits abgedreht sind.
Folge 100 rückt unaufhaltsam näher. Hat der Hauptdarsteller für dieses Jubiläum einen besonderen Wunsch? „Meine Lieblingsidee ist, einen weiteren Roman von Jürgen Kehrer zu verfilmen, der ja Wilsberg erfunden hat“, schlägt Lansink vor. „In ,Ein bisschen Mord muss sein‘ geht es um Karneval in Münster und die Schlagerszene. Das wäre wirklich eine lustige Nummer.“
Autor: KAI RIEDEMANN
Wilsberg - "Achtsam bis tödlich" läuft heute, 8. Februar 2025, um 20.15 Uhr im ZDF.