Wie lebt es sich nach einem Schlaganfall? Berührender Film über ein Paar am Abgrund – und die Kraft der Liebe. Top besetzt mit Ann-Kathrin Kramer & Harald Krassnitzer, die nicht nur im Film ein Paar sind.
Ein Artikel von HÖRZU Reporterin Dago Weychardt
Streuselschnecken schmecken schlauen Schlülern lecker.“ Schlüler? Sabine Schuster will der Theatergruppe eine Sprechübung vorgeben. Normalerweise ist der Zungenbrecher für die Lehrerin kein Problem. Die Mittfünfzigerin wuppt freiwillig die Theaterklasse und den Job als Vertrauenslehrerin. Sie wiederholt, spricht „Schüler“ nun korrekt aus. Aber irgendwas stimmt nicht. Sie zögert, verstummt. Plötzlich sieht und hört sie alles ganz verzerrt, fühlt sich wie eine Fremde im eigenen Körper. Dann fällt sie hart auf den Boden. Im Krankenhaus das böse Erwachen.
Sabine, in dem ARD-Drama „Aus dem Leben“ (Mi, 9. Oktober, 20.15 Uhr im Ersten) eindrucksvoll verkörpert von Ann-Kathrin Kramer, ist nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt. Sie hatte Glück im Unglück, kam schnell in eine spezialisierte Fachabteilung, eine Stroke Unit. Deshalb hat sie Aussicht auf zumindest teilweise Erholung. Doch zunächst bringt sie nur ein zittriges „Hallo“ heraus, als Mann (Harald Krassnitzer) und Tochter sie besuchen.
„Mit einem Schlaganfall fliegt das Leben aus der Kurve“, erklärt Hauptdarstellerin Ann-Kathrin Kramer. „Alles wird durcheinandergewirbelt wie in einer Schneekugel.“ Pro Jahr erleiden bei uns etwa 270.000 Menschen einen solchen Ausfall im Hirn, bei dem ein Blutgefäß verstopft oder platzt. Frauen sind etwas häufiger betroffen.
Die Hauptdarsteller, Kramer und „Tatort“-Star Harald Krassnitzer, sind auch im echten Leben verheiratet. Sie haben das Thema bewusst gewählt, mit ihrem Produzenten entwickelt und viel recherchiert. „Inzwischen trifft ein Schlaganfall auch Jüngere, sogar Kinder“, weiß Kramer, die auch mit Betroffenen gesprochen hat. Ihre Figur Sabine „kennt sich nicht mehr aus in ihrem Leben. Dinge, die selbstverständlich waren, sind unmöglich. Es ist eine große Überforderung.“ Die quirlige Lehrerin, die gestern silberne Hochzeit feierte und Wanderungen mit ihrem Mann plante, ist passé.
Der fein nuancierte, wahrhafte Film folgt der Familie in dem Jahr nach dem Schock, nach der Reha. „Wir erzählen nicht die Krankheit, sondern die Geschichte einer Liebe“, so Kramer. „Der Film ist ein emotionales Roadmovie“, ergänzt Krassnitzer: „Das Paar muss sich neu entdecken.“ Zuerst zieht sich Sabine zurück, ist frustriert, meidet Freunde. Ihr Mann, ein Forstwirt, dringt mit seiner Aufmunterung und Fürsorge nicht durch, hat Ärger mit der Versicherung, eckt bei Kollegen an. Beide gehen durch ein Wechselbad der Gefühle: Frust, Wut, Angst, Scham. Dann setzt eine Pflegerin neue Impulse. Die Botschaft des Films? Kramer: „Auch wenn die Gesellschaft es anders vorlebt: Schönheit liegt nicht in der Perfektion.“
Das Drama macht Hoffnung, aber zur Wahrheit gehört auch: Eine lebensverändernde Krankheit kann zur Trennung führen. Michael Karantonis von der Deutschen Schlaganfall-Hilfe schildert, was Betroffenen geholfen hat: „stetig aufeinander zugehen und reden, neue gemeinsame Ziele finden, Hilfe von außen annehmen – und den Austausch mit gleichfalls Betroffenen suchen“. Etwa 350 Selbsthilfegruppen gibt es hierzulande, zu finden über www. schlaganfall-hilfe.de