Die 2019 gestartete ARD-Reihe "Toni, männlich, Hebamme" geht heute zu Ende. Anlässlich der letzten Folge spricht Hauptdarsteller Leo Reisinger im Interview über Stigmata, klassische Rollenverteilungen und seine Jobs neben der Schauspielerei. Das Aus der TV-Reihe nimmt er gelassen und glaubt, „dass jeder von Zeit zu Zeit eine Durststrecke braucht, um sich neu zu orientieren.“
"Ich traue mich zu sagen, dass ich ein sehr moderner Mann bin, der nicht davor zurückschreckt, in irgendeine Schublade gesteckt zu werden", erklärt der 46-Jährige im Interview zu seinem letzten Auftritt als Toni Hasler in "Das Glück der Anderen" (16. August, 20.15 Uhr im Ersten). "Ich habe selbst drei Kinder, und auch bei uns zu Hause ist - wie in den Drehbüchern - dieses klassische Rollenprofil auf den Kopf gestellt." Wie das in den vergangenen fünf Jahren als TV-Hebamme war, worauf Reisinger als Mann Wert legt und wie er in die Zukunft blickt, erzählt er im Interview. Schließlich endet die 2019 gestartete Reihe nun mit dem zehnten Film...
Sie spielen einen Mann in einem ehemals typischen Frauenberuf - etwas, das heutzutage normal sein sollte, oder?
Reisinger: Absolut. Ich traue mich zu sagen, dass ich ein sehr moderner Mann bin, der nicht davor zurückschreckt, in irgendeine Schublade gesteckt zu werden. Ich habe selbst drei Kinder, und auch bei uns zu Hause ist - wie in den Drehbüchern - dieses klassische Rollenprofil auf den Kopf gestellt. Ich bin nicht der Mann, der arbeiten geht, das Geld nach Hause bringt, und die Frau putzt derweil. Früher traf dieses Familienmodell auch auf meine Familie zu. Meine Frau und ich legen heute allerdings Wert auf eine absolute Gleichberechtigung. Das wäre überall auf der Welt so wichtig. Toxische Männlichkeit ist bei mir jedenfalls nicht zu finden.
Wie definieren Sie toxische Männlichkeit?
Reisinger: Toxische Männlichkeit zeichnet sich für mich dadurch aus, dass ein Mann im alltäglichen Umgang mit einer Frau sehr dominant und vielleicht auch laut ist. Sie weist darauf hin, dass an dem Klischee, dass Männer sich gerne mit Substanzen wie Alkohol betäuben und damit meinen, besser durchs Leben zu kommen, etwas dran ist. Toxische Männer reflektieren meiner Meinung nach ihr Verhalten nicht wirklich, sie denken egozentrisch. Natürlich gibt es dieses Verhalten nicht nur bei Männern - es gibt auch Frauen, die sich so verhalten. Ich spreche davon, diese Muster, die manche heute noch leben, zu durchbrechen, sensibel zu hinterfragen und meine Wahrheit zu leben.
Die da wäre ...?
Reisinger: Offen zu bleiben. Mein erster Gedanke war tatsächlich auch: "Oh Gott, eine männliche Hebamme - was machen's denn jetzt wieder?". Dass Toni ein Kämpfer ist, der als Mann einen typischen Frauenberuf ausübt, hat mich jedoch beeindruckt. Hand aufs Herz: Dass man als männliche Hebamme manchmal komisch angeschaut wird, lässt sich nicht vermeiden. Schließlich betritt man als Mann eine Welt, die einem relativ fremd ist. Es gibt einfach Dinge, die sind in unserer Gesellschaft Frauen vorbehalten, andere wiederum Männern. Und das stellen wir jetzt auf den Kopf.
Inwiefern hat das Ihre Sichtweise auf den Hebammenberuf verändert?
Reisinger: Mir beispielsweise war bis dato nicht bewusst, dass der Verdienst vieler Hebammen nicht ausreicht, um gut zu leben. Und das in diesem Beruf! Du brauchst eine Hebamme, um ein Kind zu gebären. Alleine die Verantwortung! So eine Geburt ist nicht immer nur schön. Als Hebamme erlebst du Situationen, die dir alles abverlangen. Das Risiko, dass etwas schiefgeht, ist oft enorm hoch.
Und das alles in einem Beruf, der häufig wenig Beachtung in der Gesellschaft findet ...
Reisinger: Ich würde sagen, dieses Stigma verliert immer mehr an Bedeutung. Als ich mit den Dreharbeiten begonnen habe, waren es acht männliche Hebammen in Deutschland. Mittlerweile gibt es schon 22. Die Tendenz steigt. Aber natürlich ist noch Luft nach oben.
Wenn die administrative Seite für Ihre Rolle nicht wichtig war, wie haben Sie sich vorbereitet?
Reisinger: Ich bin Vater von drei Kindern - das war Vorbereitung genug (lacht). Beim letzten war ich nicht mehr so vorsichtig wie beim ersten. Aber ich denke, das ist ganz natürlich. Ein bisschen Erfahrung war also schon da, und ich bin ein sehr guter Beobachter. Trotzdem war ich froh, dass die Hebammen am Set mich eingewiesen haben.
... und die Babysitter.
Reisinger: (lächelt) So ungefähr, ja. Wir drehen mit echten Babys. Und da müssen wir uns natürlich alle nach dem Kind richten. Wenn das Kind Hunger hat, haben alle anderen auch eine kleine Pause - oder wir drehen einfach eine andere Szene. Das klappte immer recht gut. Zu verdanken war das auch den tollen Müttern. Viel Kommunikation führt eben zu einem guten Ergebnis. Schwierig war es nur, wenn ein Baby sich in die Hose gemacht hat - und die Leute hinter der Kamera, die noch keine Kinder hatten, mussten sich darum kümmern. Für uns Eltern ist das kein Problem: einfach schnell abwischen.
Mit diesen lustigen Anekdoten vom Set ist es nun allerdings vorbei ...
Reisinger: Ja, leider endet die Reihe mit diesen beiden Filmen. Kurz nachdem ich das verkündet hatte, bekam ich so viele nette Rückmeldungen, dass die Fans traurig sind, dass es nicht weitergeht - egal aus welcher Generation. Eine Abschlussfolge wäre noch cool. Die Fans wollen doch wissen, wie das Finale mit Toni und Luise ausgeht.