Exklusiv bei HÖRZU: TV-Experten erklären, worauf es bei der US-Wahl ankommt

05.11.2024 um 13:00 Uhr
    Exklusiv bei HÖRZU: TV-Experten erklären, worauf es bei der US-Wahl ankommt | © HÖRZU
    Ingo Zamperoni (ARD, u.r.) und Elmar Theveßen (ZDF) berichten im TV über die Wahl des Jahres zwischen Kamala Harris und Donald Trump um die US-Präsidentschaft. | ©HÖRZU

    Die USA-Experten Ingo Zamperoni (ARD) und Elmar Theveßen (ZDF) erklären die Wahl des Jahres.

    Ein Artikel von HÖRZU-Chefreporter Mike Powelz

    Mann gegen Frau. Vizepräsidentin gegen Ex-Präsident. Und Ex-Staatsanwältin gegen verurteilten Straftäter. Die Wahl des 47. US-Präsidenten in der Nacht des 5. November wird der vielleicht spannendste Polit-Showdown aller Zeiten. Kann die Demokratin Kamala Harris (60) den umstrittenen Republikaner Donald Trump (78) besiegen? Sind die USA reif für die erste schwarze Frau im Weißen Haus? Oder sitzen Trump und sein Vize J.D. Vance, Autor des von Netflix verfilmten Bestsellers „Hillbilly-Elegy“, ab Anfang Januar im Oval Office?

    Exklusiv in HÖRZU schätzen „Tagesthemen“-Moderator Ingo Zamperoni (50) und Elmar Theveßen (57), der das ZDF-Studio in Washington leitet, die Chancen der beiden Rivalen ein.

    Ein extrem enges Rennen kündigt sich an

    Wem rechnet der USA-Experte des Zweiten in der Wahlnacht die größten Chancen aus? Elmar Theveßen zu HÖRZU: „Ich mache es mir mal einfach: Kamala Harris gewinnt in absoluten Zahlen deutlich vor Donald Trump. Aber ob sie damit auch Präsidentin wird? Da drücke ich mich mal um die Antwort. Das amerikanische Wahlsystem macht alles möglich, da entscheiden ein paar Tausend Stimmen in bestimmten Bundesstaaten über Sieg und Niederlage. Es wird wohl sehr knapp, das ist unser Gefühl im Team – auch nach unserer Drehreise über 9000 Kilometer durch 18  Bundesstaaten. Aber Harris hat eine echte Chance, Trump zu schlagen.“

    ARD-Anchorman Ingo Zamperoni hingegen will sich nicht festlegen: „Es dürfte auf jeden Fall sehr knapp werden, möglicherweise auf nur ein paar Tausend Stimmen in den entscheidenden Swing States ankommen. Entscheidend wird die Mobilisierung der jeweiligen Lager sein: Wer bekommt mehr seiner Anhänger zur Wahlurne? Dabei wird es weniger eine Wahl für die eine oder andere Seite sein, sondern eher gegen die eine oder andere Seite. Wenn man so will: eine ‚Verhinderungswahl‘.“

    So wird in den USA gewählt:

    Der US-Präsident wird nicht direkt vom Volk gewählt, sondern indirekt durch Wahlmänner und -frauen, das „Electoral College“. In 48 der 50 Bundesstaaten gilt das „Winner Takes All“- Prinzip: Der Kandidat, der mehr Stimmen erhält, entsendet alle Wahlmänner und -frauen. Deren Zahl hängt ab von der Größe des Bundesstaats.  Die Wahlmänner und -frauen wählen den Präsidenten. Mit einer günstigen Kombination von gewonnenen Staaten ist es möglich, Präsident zu werden - ohne die Mehrheit aller abgegebenen US-Stimmen zu haben. | ©Wikipedia

    Tatsächlich deuten alle Umfragen auf ein knappes Kopf-an-Kopf-Rennen hin. Wie verlässlich sind sie? Theveßen: „Die meisten Umfragen hier basieren auf 600 bis 1200 Befragten, das ist in einem Land mit 155 Millionen registrierten Wählern wenig aussagekräftig. Aber es gibt auch Umfragen mit 6000 bis 9000 Befragten, und auch die zeigen derzeit einen leichten Vorsprung für Harris. Bei einigen wichtigen Wählergruppen – jungen Leuten, Frauen, Latinos und Schwarzen – liegt Harris sogar weit vor Trump. Das ist bemerkenswert, aber am Ende auch völlig irrelevant, wenn es wieder mal nur auf wenige Stimmen in wenigen Bundesstaaten ankommt.“

    Kein Wahlsieg ohne Mehrheit in Pennsylvania

    Welche sind das? Der ZDF-Mann: „Ohne Pennsylvania kann man diese Wahl nicht gewinnen. Deshalb sind Trump und Harris hier besonders häufig. Georgia wird uns vermutlich am meisten beschäftigen. Wenn es knapp wird, könnte die von Trumpisten dominierte Wahlaufsicht für Chaos sorgen, weil sie auf wiederholte Auszählungen per Hand bestehen und einzelne Wahlkreisergebnisse für ungültig erklären könnte – auch gegen den Widerstand des republikanischen Gouverneurs Kemp und seines Innenministers Raffensperger. Wenn es auf Georgia ankommt, könnte es Wochen bis zu einem Endergebnis dauern. Aber ich halte auch eine Überraschung für möglich – einen sehr deutlichen Wahlsieg. Ich verrate mal nicht, auf wen ich tippe.“

    Zamperoni stimmt Theveßen zu: „Der Weg ins Weiße Haus führt über Pennsylvania. Das ist der wichtigste Swing State. Alle anderen kann man irgendwie an anderer Stelle ausgleichen, Pennsylvania nicht.“ Mit welchen Themen können Trump und Harris je am stärksten punkten? „Trump bespielt sehr effektiv die offenen Flanken der Biden-Harris-Regierung: die wirtschaftliche Lage etwa, die auf dem Papier gut dastehen mag, aber bei vielen Menschen nicht ankommt“, so Zamperoni. „Auch das Thema Immigration, das bei uns derzeit ebenfalls mobilisiert, zahlt sehr auf sein Konto ein. Kamala Harris dagegen punktet mit einer Menge Euphorie im eigenen Lager, die sie nach dem Rückzieher von Joe Biden entfachen konnte. Und mit dem Thema Abtreibung. Aber noch mal: Zu den Hauptargumenten für beide Kandidaten gehört, dass sie den anderen verhindern.“

    Was würde Elmar Theveßen die beiden Kandidaten fragen, wenn er nur eine einzige Frage stellen dürfte? „Trump, warum er die Rhetorik von Hitler, Goebbels und Mussolini imitiert – obwohl ich die Antwort schon kenne. Und Harris: Steuern Sie jetzt in Ihrer Politik nach rechts, weil es die Demokraten mit ihrer Globalisierungs- und Zuwanderungspolitik überzogen haben?“

    Spielt der Swift-Effekt eine Rolle?

    Kann die Wahlempfehlung von Megastar Taylor Swift, die ihren 283 Millionen Followern auf Instagram direkt nach dem TV-Duell der beiden Kandidaten verriet, dass sie Harris wählt, tatsächlich den Ausschlag geben? Ja, glaubt Theveßen: „Im Swing State Wisconsin etwa könnten junge Leute an den Universitätsstandorten Trumps Stimmenvorteile in den ländlichen Gegenden wirkungslos machen. Insofern ist es dumm von ihm, Swift auch noch öffentlich zu beschimpfen.“ Zamperoni sieht das ähnlich: „Bei einer so knappen Wahl können alle möglichen Faktoren, die auch nur für ein paar Stimmen mehr oder weniger an entscheidender Stelle sorgen, ausschlaggebend sein. Vielleicht auch die Unterstützung von Taylor Swift für Kamala Harris. Allerdings sind viele Swifties noch gar nicht wahlberechtigt, da sie minderjährig sind. Sie könnten jedoch ihre Eltern und Großeltern beeinflussen.“

    Bleibt noch eine wichtige Frage: Welcher der beiden Kandidaten ist besser für Deutschland, wer für die ganze Welt? ZDF-Experte Elmar Theveßen legt sich fest: „Eindeutig Kamala Harris, weil sie Amerika stabilisieren könnte und für Kontinuität steht, auch wenn sie von den Europäern ebenfalls deutlich mehr Engagement in der Sicherheitspolitik erwartet. Wenn Trump gewinnt, werden wir Handelskriege und einen ermutigten Putin erleben. Aber egal ob Harris oder Trump: Deutschland braucht endlich eine Strategie für den Umgang mit den wirtschafts- und sicherheitspolitischen Herausforderungen der nächsten Jahre.“

    Die TV-Berichterstattung zur US-Wahl in der Nacht zum 6. November

    Um 1.00 Uhr  startet im Ersten die Sondersendung "Harris gegen Trump: US-Wahl live": Der ARD-Wahlexperte Jörg Schönenborn wird über die Wahlergebnisse der einzelnen Bundesstaaten berichten, neueste Umfrage-Ergebnisse analysieren und mit Gästen diskutieren. Abgerundet wird das Programm durch Live-Eindrücke von ARD-Reporterinnen und -Reportern aus den entscheidenden Swing States, den Hauptquartieren der Kandidaten sowie den Einordnungen der ARD-Studioleiterin in Washington, Gudrun Engel.

    Bei ZDF beginnt  um 0.30 Uhr "Die Nacht der Entscheidung": Shakuntala Banerjee und Stefan Leifert empfangen das Publikum live aus Berlin und wechseln sich dabei mit Antje Pieper und Elmar Theveßen in Washington ab. Zu den vorab angekündigten Gästen der mehr als sechsstündigen Nachtsendung zählen der Amerika-Kenner Claus Kleber und die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim. Im Anschluss an die Sondersendungen von ARD und ZDF folgt auf beiden Sendern das "ARD-Morgenmagazin", in dem die Moderatorinnen und Moderatoren weiter über den aktuellen Stand berichten.

    Bei RTL startet das Wahl-Programm in der Nacht zum Mittwoch im Anschluss an das "RTL Nachtjournal" um Mitternacht mit dem "RTL Nachtjournal Spezial: Countdown zur US-Wahl" um 0.35 Uhr. Um 1.00 Uhr schließt daran die Live-Berichterstattung "Kampf ums Weiße Haus" mit Roberta Bieling und Christopher Wittich als Moderations-Duo an, der ehemalige "RTL Aktuell"-Chefmoderator Peter Kloeppel tritt als Experte auf. Ab 6 Uhr morgens folgt dann die RTL-Frühmagazin-Strecke, beginnend mit "Punkt 6". Für Mittwochabend ist ein "RTL Aktuell Spezial: Amerika nach der Wahl" (20.15 Uhr) geplant.

    ProSieben und SAT.1 zeigen in der Wahlnacht ab Mitternacht das ":newstime Spezial - Kampf ums Weiße Haus". Die Modertorinnen Claudia von Brauchitsch und Angela van Brakel berichten live aus München und schalten zu Korrespondentinnen und Korrespondenten weltweit. Auch im anschließenden "SAT.1-Frühstücksfernsehen" (ab 5.30 Uhr auf beiden Sendern) dürfte die US-Wahl die Themenauswahl dominieren.

    Die Live-Sendung "phoenix vor ort" (0.45 Uhr) moderiert Stephan Kulle, der Wahlkampfstratege Julius van de Laar sowie die Historikerin Annika Brockschmidt ordnen unter anderem die Ereignisse ein. Am Mittwoch, 6. November, schließt ab 8 Uhr eine Sondersendung mit Moderatorin Lena Mosel an, in der Korrespondentinnen und Korrespondenten aus Kairo, Kiew, Peking und Tel Aviv berichten.