Felix Neureuther spricht Klartext: „Der Wintersport muss sich verändern“

    Der erfolgreiche Skirennläufer engagiert sich seit dem Ende seiner Profikarriere für Schutz und Erhalt der Alpen. | © BR
    Der erfolgreiche Skirennläufer engagiert sich seit dem Ende seiner Profikarriere für Schutz und Erhalt der Alpen. | ©BR

    Ex-Rennläufer und ARD-Skiexperte Felix Neureuther fordert mehr Nachhaltigkeit im Skisport. Auch bei den Winterspielen 2026 in Norditalien. In der ARD-Doku „Spiel mit den Alpen“ sollte eigentlich die Vorfreude auf Olympia im Mittelpunkt stehen, doch nach den ersten Recherchen wurde klar: Es läuft mal wieder viel schief. Felix Neureuther kommt heute (26. Februar) auch bei „Hart aber Fair“ zu Wort.

    Ein Artikel von HÖRZU Reporter Hendrik Thies

    An sein Olympia-Debüt 2006 im italienischen Piemont erinnert sich Felix Neureuther gern: die Erfüllung eines Lebenstraums. Als er jetzt für eine neue Doku über die Vorbereitung zu den Winterspielen 2026 (Mo, 26. Februar, 20.15 Uhr im Ersten) die damaligen Wettkampfstätten besichtigt, blutet dem 39-Jährigen das Herz. Die Gebäude sind Ruinen, die Sprungschanzen verfallen, ihre Ausläufe von Büschen überwuchert. „Das ist völlig unverständlich“, klagt Neureuther im Gespräch mit HÖRZU. „Da wurden Hunderte Millionen investiert, ein gewaltiger Aufwand betrieben. Jetzt siehst du dort leere, abbruchreife Anlagen, die seit vielen Jahren nicht mehr genutzt werden können.“

    Nachhaltigkeit geht anders. Schließlich stellten die Bauarbeiten erhebliche Eingriffe ins sensible Ökosystem der Bergwelt dar. Bedenken von Naturschützern wurden damals ignoriert. Wie ist das heute, zwei Jahre vor den Winterspielen in Mailand und Cortina d’Ampezzo in den Dolomiten? Haben die Veranstalter dazugelernt? „2026 kommen die Winterspiele endlich dahin, wo sie zu Hause sind: in die Alpen“, sagt Neureuther. „Eigentlich wollten wir etwas Positives über die Vorbereitungen drehen, zeigen, wie der Stellenwert der Spiele in der Gesellschaft wieder steigen kann. Dann haben wir gemerkt: Dort läuft einiges anders als versprochen.“ Der Ex-Skiprofi weiß: „Olympische Spiele brauchen einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung, um Begeisterung zu entfachen. Doch erneut zeigt sich, dass die Anwohner bei Entscheidungen übergangen wurden, Kritik nicht wahrgenommen wird.“

    Ein Beispiel dafür ist das berühmte Biathlonstadion in Antholz. Die Sportstätte hätte den Olympia-Anforderungen genügt, doch aktuell gleicht sie einer Großbaustelle. Für mindestens 50 Millionen Euro entsteht mitten im Naturschutzgebiet ein Neubau mit umstrittener Beschneiungsanlage. Die erfordert wiederum ein Wasserbecken – dort, wo bis vor Kurzem noch ein Wald stand. Es ist nur eines von 111 Bauvorhaben – vom Stadion bis zur Straßenkreuzung –, die teilweise umstritten sind und Milliarden verschlingen. Nicht nur die erheblichen Eingriffe in die Natur stimmen nachdenklich. Auch der Klimawandel macht es erforderlich, den alpinen Wintersport auf seine Vereinbarkeit mit Umweltschutz zu hinterfragen.

    Buchtipp: Felix Neureuther, Michael Ruhland: Das Erbe der Alpen.

    Seit dem Beginn der Industrialisierung stieg die Durchschnittstemperatur auf der Erde um 1,1 Grad. In Gebirgen wie den Alpen um das Doppelte. Das führt zu schmelzenden Gletschern und weniger Schnee. In höheren Regionen halten mächtige Eispanzer die Berge wie Kitt zusammen. „Schmelzen sie, kommt es leichter zu Steinschlägen, im schlimmsten Fall zu Felsstürzen und Erdrutschen, die Almen und ganze Täler bedrohen“, warnt Neureuther. Skiläufer und Bergsteiger müssen sich auf die neue Situation einstellen: Wege, die einst sicher im ewigen Eis lagen, werden plötzlich zur Gefahrenzone.

    Die Bergwelt ist in Bewegung

    Auch Überschwemmungen drohen, wenn Bergseen durch zu viel Gletscherwasser überlaufen. Immerhin 40 Prozent des Süßwasservorrats Europas liegen in den Alpen gespeichert. Sie versorgen etwa 170 Millionen Menschen mit Trinkwasser. Bei weiterer Erwärmung wären Dürren die Folge. Schwarzmalerei ist aber nicht Neureuthers Anliegen: Er möchte Lösungen auf[1]zeigen. Mit Interesse verfolgt er daher, welche innovativen Konzepte Forscher und Pistenbetreiber entwickeln, um das Bergparadies zu schützen und zu erhalten. Mit Ökostrom betriebene Gondelanlagen könnten helfen, den Autoverkehr in Höhenlagen zu reduzieren. Fotovoltaikanlagen und Rückgewinnungssysteme liefern dabei die Energie. Schmelzwasser aus tiefer gelegenen Stauseen könne durch neue Pumpanlagen in die Höhe gebracht werden, um Schneekanonen zu betreiben.

    „Der Wintersport muss sich verändern. Und es gibt tolle Beispiele dafür, wie er sich an die wandelnden Bedingungen anpasst“, sagt Neureuther. Trotzdem ist ihm klar, dass Großereignisse wohl nie klimaneutral sein werden. „Der Leistungssport und die Olympischen Spiele können aber Vorreiter sein und wichtige Impulse auf einem Weg zu mehr Nachhaltigkeit liefern.“ Höher, schneller, weiter – das mag im Sport ein treffendes Motto sein. Für die Gigantomanie hinter immer aufwendigeren Bauprojekten sei es jedoch fehl am Platz, meint Felix Neureuther. „Bodenständigkeit, Miteinander, Naturnähe – das sind Werte, die wir hochhalten sollten.

    "Spiel mit den Alpen": Mo, 26. Febraur, 20.15 Uhr im Ersten und hier in der Mediathek: