Kleiner Sender, große Show: Dass sie bei Radio Bremen die langlebige Plauderrunde "3nach9" - einmal im Monat, immer freitags um zehn - "die Mutter aller Talkshows" nennen - geschenkt. Am 19. November 1974 ging die Sendung erstmals an den Start, Ein Grund zu feiern ist der 50. Geburtstag allemal.
An Selbstbewusstsein mangelt es den Bremern nicht, schließlich ist der kleine Sender Radio Bremen ja auch ein wichtiger Faktor im Unterhaltungsfernsehen. Die selbsternannte "Mutter aller Talkshows" hat Höhepunkte wie Hape Kerkelings "Total normal" geschaffen. Also lassen wir's beim monströsen Prädikat für "3nach9", inzwischen wurde es ja auch vom weniger griffigen Slogan "dienstälteste deutsche TV-Talkshow" abgelöst. Ältere wie Dietmar Schönherrs "Je später der Abend", viel lauter und skandalöser, sind da längst vergessen. Beim Moderatorenpaar Giovanni di Lorenzo und Judith Rakers regiert die vornehme Zurückhaltung. Dennoch streichen sich viele die charmante Plauderrunde am Freitagabend im Kalender an.
Gäste der Geburtstagssendung am 15. November (live ab 22 Uhr) sind Marianne Koch (93), Moderatorin der ersten Stunde, Iris Berben, Sarah Connor, Ursula von der Leyen und Joachim Meyerhoff, sowie der leidenschaftliche 18-jährige DB-Kunde Lasse Stolley. Im Anschluss folgt die wunderbare Nostalgiesendung "50 Jahre 3nach9 - die Mutter aller Talkshows feiert Geburtstag": Judith Rakers und Giovanni di Lorenzo präsentieren die schönsten Ausschnitte aus sechs Jahrzehnten.
Auch "3nach9", beim Start 1974 noch "III nach 9", weil's drei Moderatoren auf einmal gab, kannte einst wilde Zeiten. Der Kommunarde Fritz Teufel schoss mit der Wasserpistole auf einen Bundesminister, ein Moderator wurde von einem Gast gebissen und Maria Schell wurde von Campino beleidigt. Heute gibt's nur noch den braven Würstchen-Test - vom Grill oder aus der Pfanne? -, den allerdings Kurt Krömer mit Kohle-Indizienbeweis glänzend besteht. Oder Bibi Johns mach Stretchübungen, an denen sich die gesamte Talkrunde beteiligt.
Unterhaltung ist nun mal für den Augenblick, danach darf man sie wieder vergessen. Voyeure sehen sowieso eher gerne Giovanni di Lorenzo beim feinen Parlieren zu und Judith Rakers - güldenblond wie Heines Loreley - beim kessen Dazwischenfunken, als dass sie dem lauschten, was da wieder Wissenswertes über neue Filme oder Bücher zu erhaschen sei. Immerhin: Dass manche Ameisen 25 Jahre leben und Monsterzecken Menschen kilometerweit verfolgen können, haben wir erst jüngst wieder gelernt.
Aus dem Nähkästchen plaudernde Schauspieler und Schauspielerinnen sind weit überrepräsentiert, wer wüsste es nicht. Film- und Buchpromotionen werden offensichtlich immer gern genommen. Vor zuviel Moderatorenbesuch aus anderen Sendungen sei an dieser Stelle jedoch gewarnt. Humorpotenzial und Selbstironie sinken in solchen Fällen gewaltig.
Immer wieder mal wird die stete Wiederholung mancher Gäste moniert, vielleicht weil sie ja auch in den Formaten anderer Sender zu sehen sind. Nicht wenige schummeln gewaltig, wenn sie sagen: "Ich war ja vor vielen, vielen Jahren schon mal hier", obgleich es gefühlt erst gestern war.
50 Jahre sind nicht unbedingt ein Grund zu feiern, gerne stellt sich zum Zeitpunkt auch manche Müdigkeit ein. Trotzdem wünscht man sich "3nach9" auch weiterhin. Mal abgesehen von attraktiven Gästen, bleibt stets auch die Frage: Wie werden sich der Moderator und die Moderatorin wieder schlagen, gegen verquälte Langweiler, eitle Poseure oder Quasselstrippen, denen man nur schwer dazwischenkommt? Im Übrigen gilt der in Stein gemeißelte di Lorenzo-Satz: "Wenn eine Talkshow funktioniert, dann beantwortet sie nicht so sehr die Frage, was hat jemand zu sagen, sondern - ganz elementar - wie ist jemand." - Ach, wie wahr! Quelle: teleschau