Nach über zwei Jahrzehnten verabschiedet sich Axel Milberg heute als „Tatort“-Kommissar Klaus Borowski – und sein letzter Fall verspricht Spannung bis zur letzten Sekunde. „Borowski und das Haupt der Medusa“ stellt den Ermittler vor eine persönliche Herausforderung, denn sein Gegenspieler ist kein Unbekannter: ein Mörder, den Borowski seit seiner Jugend kennt.
Ein Artikel von HÖRZU-Redakteur Mike Powelz
Eigenwillig, eigenbrötlerisch, etwas egoman – und oft im Einsatz gegen die mysteriösesten Mörder der „Tatort“-Geschichte: Klaus Borowski, seit 2003 grandios gespielt von Axel Milberg (68), zählt zu den markantesten Ermittlern im deutschen TV. Genau das brachte ihm Millionen Fans ein. Nach 21 Jahren und 43 Fällen naht nun der Abschied. Und der hat es in sich: Im 44. Fall „Borowski und das Haupt der Medusa“ jagt der Kommissar einen Mörder, den er seit seiner Jugend kennt.
Das Finale des Falls ist ein großes Geheimnis, das allein Milberg und eine Handvoll Produktionsmitarbeiter kennen. Segnet Borowski im Dienst das Zeitliche? Geht es auf Weltreise? Findet er auf den letzten Metern noch die große Liebe? All das wird erst heute Abend geklärt.
HÖRZU traf Axel Milberg zum Interview über Borowskis letzten Einsatz und erfuhr, unter welchen Umständen er sich eine Rückkehr zum "Tatort" vorstellen könnte. Nur das Geheimnis um seinen Abschied konnten auch wir ihm nicht entlocken.
HÖRZU: Ihr letzter "Tatort" verströmt einen Hauch Hitchcock. Was mögen Sie besonders an diesem Fall?
Axel Milberg: Ich finde es großartig, dass sich Borowski nichts für seinen letzten Arbeitstag überlegt hat – vor allem nichts für die Zeit danach. Im Gegenteil: Er verrichtet seinen Dienst so wie immer! Man sieht ihn lediglich beim kurzen Besuch im Reisebüro, als er eine Angestellte fragt, wo „man denn so hinfährt“. Das erzählt eindringlich, dass auch Borowski unerfüllte Sehnsüchte hat. Dass ihn die vergehende Zeit geradezu überfällt, rührt mich.
HÖRZU: Was können Sie uns über den Mörder verraten, den Borowski im letzten Fall jagt?
Axel Milberg: Borowski kennt ihn, Robert Frost, aus seiner Jugend. Schon damals war Frost ein auffälliger Einzelgänger mit einer bizarren Mutter. Jetzt ist er im Begriff, fürchterliche Dinge zu tun. Borowski ist ihm die ganze Zeit sehr nahe – psychisch, aber auch räumlich. Frost spürt es irgendwie – die Zuschauer hingegen sehen es, wissen es die ganze Zeit. Dieser Wissensvorsprung ist übrigens ein typischer Trick unseres Drehbuchautors Sascha Arango, dem ich viele Geschichten verdanke. Auch die Poesie, die Eleganz, die präzise Grausamkeit all der Mörder sind Arangos Markenzeichen.
HÖRZU: Die letzten sechseinhalb Minuten dieses letzten Falls sind hoch geheim. Passiert am Ende etwas Krasses?
Axel Milberg: Natürlich! Aber ich wäre ein Spielverderber, würde ich mehr verraten.
HÖRZU: Entspricht das Ende Ihrem Wunsch?
Axel Milberg: Ja, sehr. Ein Jahr vor Drehbeginn wurde ich gefragt, was mir vorschwebt – sehr respektvoll. Bereits wenig später habe ich meine ersten Ideen verworfen und dem NDR das Gegenteil vorgeschlagen. Dazu brachte Sascha Arango noch mal eine völlig andere Idee ein, die uns alle überraschte. Ja, mit diesem Ende bin ich sehr happy.
HÖRZU: Borowski zählt zu den beliebtesten Tatort-Ermittlern. Warum hören Sie auf?
Axel Milberg: 21 Jahre sind eine lange Zeit in einem Menschenleben. Auf mich warten jetzt sehr coole andere Rollen. Ich will auch endlich mehr Zeit mit meiner Familie verbringen. Und es gibt Projekte im Ausland. Kurz nach dem letzten Borowski-Drehtag ging es im Februar 2024 nach Budapest: Für Disney+ drehten wir dort eine Serie um den Wiener Kongress. Solche aufwendigen Produktionen waren zu meiner "Tatort"-Zeit schwierig, die Streamingdienste erwarten, dass sie die Priorität haben.
HÖRZU: Sie hatten es oft mit abstrusen Tätern zu tun. Welcher war der schlimmste?
Axel Milberg: Man regte sich auf über Kai Korthals, den Lars Eidinger animalisch und verstörend spielte. Völlig unzugänglich und abgrundtief böse. Mit Korthals konnte man weder reden noch an seine Vernunft appellieren. Übrigens habe ich mich immer dagegen gewehrt, solche Täter ausschließlich als Opfer ihrer Vergangenheit zu sehen. Darüber habe ich mit Henning Mankell, der drei Geschichten für Borowski geschrieben hat, gestritten. Mankell war überzeugt, dass das Böse immer eine Reaktion auf erlittenes Unrecht sei. Ich glaube, das Böse lässt sich nicht immer erklären.
HÖRZU: Was mögen Sie am "Tatort", was nicht?
Axel Milberg: Grundsätzlich finde ich: Der "Tatort" ist auf sehr hohem Niveau. Manchmal erstaunt mich der Tonfall einiger Kritiker, besonders im Feuilleton. Da wird der "Tatort" oft hochnäsig heruntergemacht und angedeutet, Autoren, Regisseure, auch Schauspieler würden immer nur „Schema F“ bedienen. Das Gegenteil ist der Fall! Der "Tatort" hat fast immer eine moderne Bildsprache, wagt viel Neues, ist meist durchgehend spannend und insgesamt überraschend unkonventionell.
HÖRZU: Schauen Sie selbst gerne TV-Krimis?
Axel Milberg: Ehrlich gesagt: Es gibt zu viel davon! Mord am Hafen, im Norden, auf Inseln, Halligen, im Gebirge, in Amsterdam, Marseille, Triest, Venedig … Eigentlich reichen doch die Nachrichten um 20.15 Uhr. Wozu noch mehr Blut und Pathologieszenen? Das muss aufhören, es macht traurig. Warum gibt’s keine anderen Geschichten? Warum nicht mal etwas, das Mut macht? Oder über Antisemitismus, Radikalität, die Schwäche der Demokratie? Aber nein, lieber Sadismus und weibliche Opfer, um zu unterhalten. Boah ey, Leute!
HÖRZU: Was sagt es über unsere Gesellschaft, dass Krimis hohe Einschaltquoten haben, das Publikum immer mehr will?
Axel Milberg: Ach, das ist bloß ein Totschlagargument der Programmentscheider! Die Zuschauer lieben schließlich auch Rote Rosen! Insofern stellt sich mir vielmehr die Frage: Wer beeinflusst hier wen? Jedes Mal gab es ein großes Aufstöhnen, sobald jemand vorschlug, die Zuschauer auch mal zum Guten zu verführen: zu mehr Rücksichtnahme, Freundlichkeit, Optimismus.
HÖRZU: Nächstes Jahr werden Sie 70. Was war Ihr Erfolgsrezept in 43 Jahren Film- und Fernsehkarriere?
Axel Milberg: Ich werde … Sie machen Witze! (Lacht) Also: Erstens kann ich gut zuhören. Zweitens habe ich gelernt, auf die richtigen Menschen zu hören, etwa auf meine kluge, lebendige, energische Frau. Sie berät und beschützt mich, ihr Urteil nehme ich ernst.
HÖRZU: Zuletzt noch ein Blick in die Zukunft: Bleiben Sie zumindest der beliebten ZDF-Reihe "Familie Bundschuh" treu?
Axel Milberg: Letztes Jahr haben wir die neunte und letzte Geschichte gedreht: "Familie Bundschuh macht Camping". Ich glaube, jeder kann sich vorstellen, was da alles passiert (lacht). Es war noch mal ein großer Spaß, aber jetzt ist es vorbei.
HÖRZU: Ist es denkbar, dass Sie mal als Gaststar in einem anderen "Tatort" dabei sind? Vielleicht sogar als Mörder?
Axel Milberg: Warum nicht? Wenn Drehbuch und Rolle toll sind. Vielleicht sogar in Kiel, wo ich viele Jahre Klaus Borowski gespielt habe – als Verbrecher.
Interview: MIKE POWELZ
Tatort: Borowski und das Haupt der Medusa läuft heute, 16.03.2025 um 20:15 Uhr im Ersten.