TV-Moderatorin Linda Zervakis lässt sich von KI-Linda ersetzen

20.08.2024 um 20:15 Uhr
    Linda Zervakis will wissen: „Kann KI die Demokratie retten?“ | © ProSieben Linda Zervakis will wissen: „Kann KI die Demokratie retten?“ | ©ProSieben

    Die Zukunft beginnt jetzt: Linda Zervakis präsentiert bei ProSieben eine spannende Doku über Chancen und Risiken Künstlicher Intelligenz in unserer Gesellschaft und will wissen: Kann KI die Demokratie retten? Dabei lässt sie sich zeitweise von einer digitalen Kollegin ersetzten, der „KI-Linda“.

    Ein Artikel von HÖRZU-Reporter Sven Sakowitz

    Es ist eine Revolution: Die rasante Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI) sorgt dafür, dass sich nahezu alle Bereiche unseres Lebens in atemberaubender Geschwindigkeit verändern. Das Spektrum reicht dabei von selbstfahrenden Autos bis zu Robotern im Operationssaal. Manches klingt gut, manches macht Angst. Welche Möglichkeiten sich durch Künstliche Intelligenz in der Politik eröffnen, untersucht die frühere „Tagesschau“-Sprecherin Linda Zervakis jetzt in ihrer Doku „ProSieben Thema: Kann KI die Demokratie retten?“ (Di, 20. August, 20.15 Uhr bei ProSieben).

    Der Titel wirft zunächst die Frage auf, ob unsere Demokratie denn in ernsthafter Gefahr ist. „Das denke ich leider schon“, sagt Linda Zervakis im Gespräch mit HÖRZU in Hamburg. „Es herrscht bei vielen Menschen eine ausgeprägte Politikverdrossenheit, dazu kommt die Unzufriedenheit mit der Ampelregierung. Es brodelt überall. Die größte Gefahr droht aber durch den zunehmenden Rechtsruck, den ich mit großer Sorge betrachte.“ Vor diesem Hintergrund also reiste sie mehrere Monate durchs Land, um bei einer umfassenden Recherche mehr über die Möglichkeiten von KI in der Politik herauszufinden. Sie traf sich mit führenden Politikern aller Parteien sowie mit KI-Experten und KI-Entwicklern.

    „Der Siegeszug von KI ist nicht mehr aufzuhalten“

    „Früher hatte ich beim Thema KI eine sehr skeptische Haltung“, sagt die 49-Jährige. „Ich habe nur die Gefahren gesehen und mich gefragt, wo das alles hinführen soll.“ Doch im Laufe ihrer Recherche habe sie entschieden, sich auf das Positive zu konzentrieren. „Der Siegeszug von KI ist nicht mehr aufzuhalten“, sagt sie. „Deshalb gehe ich in der Doku konstruktiv an die Sache heran und betone vor allem die Chancen dieser Technologie. Meine Hoffnung: Vielleicht kann KI dabei helfen, dass unsere Gesellschaft wieder ein bisschen näher zusammenrückt, dass wir wieder mehr miteinander reden.“

    In ihrer Doku geht es um bestehende KI-Werkzeuge, aber auch um solche, die sich noch in der Entwicklung befinden, oder solche, die sich Politiker in Zukunft wünschen würden. „Wir haben zum Beispiel einen Politiker gebeten, uns ein bestimmtes Gesetz so zu erklären, dass es ein Fünfjähriger versteht. Der Politiker hat drei Anläufe gebraucht, und dann war es immer noch etwas unverständlich. Die KI hat es in zehn Sekunden geschafft. Das fand ich beeindruckend. Denn auch Erwachsene, inklusive mir, haben manchmal Schwierigkeiten, zum Beispiel bei den oft gestelzten Bundestagsreden wirklich alles inhaltlich zu verstehen. Da könnte eine KI hilfreich sein, die einem die wichtigsten Aussagen in anderen, verständlicheren Worten erklärt.“

    Inspirierend sei auch ein Besuch bei einem US-amerikanischen KIEntwickler gewesen: „Der hat eine Art KILügendetektor entwickelt. In diesen lässt man zum Beispiel Reden von Politikern einfließen, und die KI untersucht sie dann sekundenschnell auf ihren Wahrheitsgehalt. Ich habe der KI eine erfundene Geschichte aus meinem Leben erzählt – und sie hat den Schwindel sofort aufgedeckt!“

    Interessant könnte die KI auch als Hilfe bei der Bewältigung von Aktenbergen werden. Eine Politikerin zeigt in der Doku, wie viele Unterlagen sie vor jeder Sitzung durcharbeiten muss. Wenn eine KI Zusammenfassungen des Materials liefern würde, bliebe zum Beispiel mehr Zeit für Bürgergespräche. Eine andere Politikerin wird in den sozialen Netzwerken oft aggressiv angefeindet. Das Löschen der Beschimpfungen und die Erstattung von Strafanzeigen kosten Zeit und Nerven. Es wäre eine Erleichterung für sie, wenn irgendwann eine KI diese Aufgaben übernehmen könnte. Bei ihrer Recherche hat Zervakis in der Doku immer eine digitale Kollegin dabei, die sie „KI-Linda“ nennt. Dabei handelt es sich um eine nach ihrem Vorbild gestaltete computeranimierte Figur auf dem Tablet. „KI-Linda“ stellt zum Teil die Fragen in den Interviews und unterhält sich mit der „echten Zervakis“.

    Das Äußere dieser Figur basiert auf eingescannten Bildern von Zervakis. Um ihre Sprechweise so genau wie möglich zu imitieren, wurde die Computerfigur unter anderem mit Podcasts von Linda Zervakis „gefüttert“, außerdem sprach Zervakis unterschiedliche Texte für die KI ein. Mal im eher nüchternen Stil einer Journalistin, mal in ihrer Alltagssprache. Das Ergebnis ist verblüffend. „Anfangs war sie noch ein bisschen hölzern, so als würde das Programm haken“, sagt Zervakis. „Aber im Laufe der Zeit wurde sie immer besser und realistischer. Teilweise hat sie Sprüche rausgehauen, bei denen ich mich weggeschmissen habe vor Lachen und die mir niemals eingefallen wären.“

    Mit der spannenden KI-Doku startet Linda Zervakis so etwas wie einen neuen Anlauf bei ihrem Sender ProSieben. Nachdem sie acht Jahre die ARD-„Tagesschau“ moderiert hatte, wechselte sie 2021 zum Privatkanal. Dort führte sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Matthias Opdenhövel durch die Nachrichtensendung „Zervakis & Opdenhövel. Live.“. Wegen schwacher Quoten wurde diese im Dezember 2023 eingestellt. Ein kleiner Dämpfer – aber der Sender setzt weiter auf Linda Zervakis. Fürs kommende Jahr sind mit Blick auf die Bundestagswahl weitere Dokumentationen mit ihr in Planung.