Immer brandaktuell: WDR-Chefredakteurin Ellen Ehni über die heutige ARD-Sondersendung zur Europawahl.
Extremwetter, Regierungskrise, Krieg: Wenn sich Außergewöhn[1]liches ereignet, bringt Das Erste nach der „Tagesschau“ eine kurz[1]fristig angesetzte Sondersendung, in der meist 15 Minuten lang vertiefend über das Thema berichtet wird: den „Brennpunkt“. Am Montag nach der Europawahl gibt es sogar mal einen langfristig geplanten, der ganze 45 Minuten dauert (Mo, 10. Juni, 20.15 Uhr im Ersten).
Ein Artikel von HÖRZU-Reporter Sven Sakowitz
Moderiert wird er von Ellen Ehni, der Chefredakteurin des WDR-Fernsehens, die dort die wichtigsten Ergebnisse der Wahl einordnen möchte. Aber wie entsteht eigentlich so ein „Brennpunkt“? Grundsätzlich gilt: Innerhalb der ARD sind die jeweiligen Landesrundfunkanstalten für bestimmte Länder und Regionen zuständig. Das heißt zum Beispiel: Wenn in Israel etwas passiert, kommt der „Brennpunkt“ vom Bayerischen Rundfunk, bei Ereignissen in China übernimmt der NDR. Weil Brüssel – wo sich das Europäische Parlament befindet – zu den Berichtsgebieten des WDR gehört, verant[1]wortet dieser den „Brennpunkt“ zur Europawahl. Gesendet wird live aus dem WDR-Haupthaus in Köln. Dort muss Ellen Ehni an dem Montag aber erst mal hinkommen. Denn am Tag zuvor, am Wahlsonntag also, ist sie bis ein Uhr nachts für die Wahlsendungen aus dem ARD-Hauptstadtstudio in Berlin im Einsatz.
„Die intensive Arbeit am ,Brennpunkt‘ beginnt für mich in diesem Fall am Mor[1]gen in der Bahn von Berlin nach Köln“, erzählt Ellen Ehni im Gespräch mit HÖRZU. „Auf der Fahrt treffe ich erste Absprachen mit der Redaktion in Köln. Dazu kommen die Besprechungen mit dem Studio Brüsssel und dem ARD-Hauptstadtstudio.“ Überraschend: Während des ganzen Tages wird es kaum reale Aufeinandertreffen der beteiligten Personen geben, Redaktionskonferenzen in Präsenz sind passé. Stattdessen läuft nahezu die komplette Kommunikation über das Computerprogramm Microsoft Teams. Etabliert hat sich diese Form in der Coronazeit. „Wir starten morgens einen Chat, in dem im Laufe des Tages alles besprochen wird“, sagt Ehni. „Welche Interviewpartner haben zugesagt? Sind die Grafiken fertig? Welche Filmbeiträge brauchen wir? Gibt es Probleme? Der Chat wächst von anfangs zehn auf etwa 30 Personen an, weil nach und nach so viele Kolleginnen und Kollegen hinzukommen, die einen Beitrag zur Sendung leisten.“ Ein eng verzahntes System ist da am Werk.
Im Unterschied zu einem kurzfristig angesetzten „Brennpunkt“ habe die Europawahl-Ausgabe einen Vorteil, sagt Ehni: „Wir können uns intensiver mit dem Thema befassen und die möglichen In - halte der Sendung vorbereiten. Für den 10. Juni gehe ich von drei Feldern aus: die europapolitische und die bundespolitische Bedeutung der Wahl sowie die möglichen Auswirkungen auf die Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen. Das ist unser grobes Gerüst – das bei überraschenden Ereignissen aber auch komplett geändert werden kann.“ Kurzfristig anberaumte „Brennpunkte“ dagegen entstehen vom Ereignis bis zur Ausstrahlung oft innerhalb weniger Stunden. Zur Regiebesprechung um 16 Uhr steht der Ablauf für den Abend halbwegs fest. Jetzt schreibt Ellen Ehni auch ihre Mode - rationstexte, die sie ins Redaktionssystem eingibt, wo sie von ihren Kolleginnen und Kollegen gelesen werden. Wenn später Experten zugeschaltet werden, führt Ehni mit diesen Vorgespräche, bittet gegebenenfalls um den Verzicht auf allzu komplizierte Fachsprache und weist auf die begrenzte Zeit hin. Mit Politikern führt sie prinzipiell keine Vorgespräche – die sind Medienprofis, kennen die Regeln für Fernsehinterviews und müssen spontan antworten können.
Von 19.00 bis 19.30 Uhr sitzt Ehni in der Maske, ungefähr dann werden auch ihre Moderationskarten ausgedruckt, diese sind gewissermaßen ihre Spickzettel. Erst um 19.40 Uhr kann sie das Studio betreten, da dort vorher noch andere Sendungen produziert werden. Sie setzt sich einen Knopf ins Ohr, über den sie während der Sendung Infos und Anweisungen bekommt – vom Regisseur oder Chef vom Dienst, also dem für die Sendung zuständigen Redakteur. Sie sagen ihr, wo sie stehen muss, und geben durch, wenn es Änderungen im Ablauf gibt. „Sie versuchen, nur dann zu sprechen, wenn ich nicht gerade moderiere“, sagt Ehni. „Aber das ist nicht immer möglich. Gleichzeitiges Moderieren und Hören ist schon eine Herausforderung.“ Zumal sie ihre Texte nicht vom Teleprompter abliest, sondern frei spricht: „Ohne Prompter kann ich viel besser spontan und schnell auf Ereignisse reagieren.“ Im Studio verfolgt sie ab 20 Uhr die „Tagesschau“.
Ist diese beendet, wird es ernst. Überraschend spielt dann auch Ehnis 79-jährige Mutter eine wichtige Rolle: „Ich habe mal gelernt, dass man sich beim Moderieren eine Person denken soll, zu der man spricht. Deshalb habe ich bei der Moderation im Studio immer meine Mutter vor Augen. Sie ist eine intensive ARD-Zuschauerin, guckt alle Sendungen mit mir und gibt mir immer Feedback. Manch - mal sagt sie etwa: ,Kind, du hast schon wieder so schnell gesprochen, da komme ich gar nicht mit.‘ Dann nehme ich mir vor, das beim nächsten Mal besser zu machen.“ Ehrliche Kritik – das ist doch eigentlich das Beste, was einer Journalistin passieren kann. Eine kurze Nachbesprechung im Kollegenkreis gibt es auch immer, direkt im Anschluss an den „Brennpunkt“. Und natürlich findet diese ebenfalls im Teams-Chat statt, der schon den ganzen Tag heiß gelaufen ist.