„Tatort“: Der neue Murot-Fall spielt 1944 und ist ein gelungenes Experiment!

19.10.2024 um 12:30 Uhr
    „Tatort“: Der neue Murot-Fall spielt 1944 und ist ein gelungenes Experiment! | © HR
    Hagen von Strelow (Ludwig Simon), Else Weiß (Barbara Philipp) und Kommissar Rother (Ulrich Tukur) im sehenswerten "Tatort: Murot und das 1000-jährige Reich". | ©HR

    Er sieht aus wie Felix Murot, doch im neuen „Tatort“ spielt Ulrich Tukur vor allem einen Ermittler mit NS-Parteiabzeichen im Jahr 1944.

    Ein Artikel von HÖRZU Reporter Thomas Röbke

    Fast wäre es ein Schwarz-Weiß-Film geworden. Die Grundidee, vor gut zehn Jahren in einer Runde aus HR-„Tatort“-Machern entstanden, lautete: „Wie würde ein ,Tatort‘ aussehen, der in den 1940er-Jahren gedreht wurde?“ Der wäre sicherlich schwarz-weiß gewesen. Soweit wollte man dann doch nicht gehen und begnügte sich mit Frakturschrift im Vorspann. Die gewollte Irritation ist eine andere: „Der ,Tatort‘-Ermittler, das personifizierte Gute, steht 1944 plötzlich auf der falschen Seite“, erzählt Drehbuchautor Michael Proehl. Eine moralische Zwickmühle, die tatsächlich funktioniert.

    Der Film beginnt in der Gegenwart: Kriegsverbrecher Hagen von Strelow (Ludwig Simon), der in Deutschland vor Gericht gestellt werden soll, steht kurz vor der Landung am Frankfurter Flughafen. Einst war er Felix Murot (Ulrich Tukur) nach Südamerika entwischt. Endlich können der Ermittler und Assistentin Magda Wächter (Barbara Philipp) ihn wieder in Empfang nehmen. Das ist die Klammer für den aktuellen „Tatort“-Fall "Murot und das 1000-jährige Reich"am 18. Oktober, 20.15 Uhr im Ersten.

    Trailer zu "Murot und das 1000-jährige Reich"

    Die Rückblende ins Jahr 1944 erfolgt über von Strelow. Der projiziert auf Murot die Figur des Kommissars Rother, mit dem er damals im Auto in einem Dorf liegen bleibt. Kurz darauf werden deutsche Soldaten gefunden, die sich scheinbar gegenseitig erschossen haben. „Da muss etwas passiert sein, das den Verstand hat aussetzen lassen“, sinniert Rother. Ein britischer Kampfpilot stürzt ab und entpuppt sich als Spion der Nazis. Er hat Papiere über die bevorstehende Invasion der Alliierten dabei. Auch er stirbt – doch wo sind die Papiere?

    Wie viel Nazi steckt im Sonderermittler?

    Kurze Zwischenszenen aus der Gegenwart zeigen Murot und Wächter im Besucherzentrum des Frankfurter Flughafens vor „The Globe“, einer 25 Quadratmeter großen Präsentationsfläche aus LCD-Bildschirmen, auf der sich in Echtzeit der Weltluftverkehr verfolgen lässt. Auch der Schluss spielt wieder in der Jetztzeit, in der Hagen von Strelow Schwierigkeiten hat, zwischen Fantasie und Wirklichkeit zu trennen. Die 1944 spielende Handlung ist naturgemäß alles andere als ein klassischer Tatort“, aber ein brauchbarer, wenn auch etwas langsamer Krimi.

    Die Murot-Fälle sind für ihren experimentellen Charakter ebenso berühmt wie berüchtigt. Da reihen sich gerne mal Dutzende Kapriolen und Halluzinationen der Protagonisten aneinander, bis die Zuschauer völlig verwirrt sind. Verglichen damit ist dieser vor allem im Freilichtmuseum Hessenpark gedrehte „Tatort“ verblüffend stringent. Die Frage „Wie viel Nazi steckt in diesem Rother?“ geht einem nicht aus dem Kopf. Er ist als Sonderermittler unterwegs, was genau er ermittelt, erfahren wir nicht.

    „Ursprünglich war er auf dem Weg nach Berlin, um sich vor einem Ausschuss zu rechtfertigen“, verrät Drehbuchautor Geister Proehl. Er schrieb bereits den Murot „Im Schmerz geboren“, der 2015 mit der GOLDENEN KAMERA ausgezeichnet wurde. Rother sei eher aus Karrieregründen denn aus Überzeugung Nazi geworden, meint Proehl: „Mittlerweile weiß er, dass seine Zeit vorbei ist. Das macht ihn unkontrollierbar, aber für beide Seiten.“ Jede Provokation, die sich Rother leistet, verwendet der junge, extrem ehrgeizige Hagen von Strelow gegen ihn. Bis es zum Showdown zwischen den beiden kommt.