"Überväter": Fritz Karl kritisiert Erziehungsstil von heute

19.09.2024 um 18:45 Uhr
    Mathi versteht sich als „Mann der alten Schule“ und hält an seinem klassischen Rollenverständnis fest. | ©

    Fritz Karl gilt als besonders wandlungsfähig. Jetzt ist der vielbeschäftigte Schauspielstar in der ZDF-Komödie "Überväter" als Patriarch zu sehen. Im Interview verrät der siebenfache Vater, was er von heutigen Erziehungsmentalitäten und Social Media hält.

    Eigentlich heißt er Karl Friedrich. Und er wurde bei den Wiener Sängerknaben ausgebildet. Doch eine Karriere als Sänger strebte der heute 56-Jährige, der als Fritz Karl bekannt ist, nicht an. Ende der 80er-Jahre war der Schauspieler, der eigentlich am Theater zu Hause ist, erstmals im Fernsehen zu sehen. An der Seite von Christiane Hörbiger wurde Fritz Karl in der Serie "Julia - eine ungewöhnliche Frau" berühmt und ist bis heute aus der Film- und Fernsehlandschaft nicht mehr wegzudenken. Denn er kann einfach alles: Drama, Thriller, Krimi - und auch Komödie. In seinem Film "Überväter" (Donnerstag, 19. September, 20.15 Uhr, ZDF und in der ZDFMediathek) brilliert er als konservativer Patriarch, der mit seinem "verweichlichten" Sohn chronisch unzufrieden ist. Im wahren Leben hat Karl selbst sieben Kinder und bereits drei Enkelkinder.

    Sie sind Vater von sieben Kindern und Großvater von drei Enkelkindern - Sie müssen mittlerweile schon Profi im Vatersein sein, oder?

    Fritz Karl: Nein, ein Profi ist man nie. Jedes Kind ist anders - und der beste Plan scheitert beim ersten Feindkontakt (lacht). Es kann nie eine Routine entstehen, weil jedes Kind etwas anderes braucht. Außerdem habe ich mich im Laufe der Jahre weiterentwickelt - und das beeinflusst natürlich auch die Erziehung meiner Kinder. Ich war gerade 19 Jahre alt, als mein erstes Kind geboren wurde. Damals war ich in einem ganz anderen Lebenszyklus. Heute lege ich auf andere Dinge Wert, habe andere Ängste, andere Sorgen.

    Die da wären?

    Fritz Karl: Meine jüngeren Kinder wachsen mit Smartphones auf. Das war bei meinen älteren Kindern früher noch kein Thema. Das ist ein ganz entscheidender, fürchterlicher Einschnitt. Dieses Teil lenkt meine Kinder ständig ab. Die Aufmerksamkeitsspanne leidet darunter. Sie kommen nie richtig zur Ruhe, weil sie, wenn sie sich langweilen, immer sofort auf dieses Teil starren.

    Sie nutzen "dieses Teil" allerdings selbst regelmäßig, sind gemeinsam mit Ihrer Frau Elena Uhlig sehr aktiv auf Social Media!

    Fritz Karl: Die Themen Smartphone und Bildschirmzeit sind heutzutage in fast jeder Familie unweigerlich präsent. Der Unterschied ist aber, dass meine Kinder Social Media konsumieren und meine Frau und ich Inhalte produzieren. Wir unterhalten andere oder nutzen die Plattform, um uns kritisch zu wichtigen Themen zu äußern oder auf etwas aufmerksam zu machen. Meine Jungs dagegen schauen einfach zu. Das ist eine Bewusstseinsfrage.

    Worauf sollten Eltern also achten?

    Fritz Karl: Ich muss zugeben, dass wir das ein bisschen verschlafen haben. Aber grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Kinder erst im Alter von 14 Jahren ein Smartphone bekommen sollten - und Zugang zu Sozialen Medien erst ab 16.

    Ist das heutzutage nicht etwas streng oder überholt?

    Fritz Karl: Nein, es gibt auch Studien mit Jugendlichen, die gefragt wurden, wann sie das alles gerne gehabt hätten. Die meisten sagen selbst, dass sie gerne erst mit 14 oder 16 Jahren damit in Berührung gekommen wären. Und das sagen Jugendliche, die wohlgemerkt selbst den ganzen Tag am Smartphone hängen. Auf die Frage, warum sie das machen, kommt oft die Antwort: "Wir können nichts dafür, wir sind einfach süchtig." Leider ist das Kind schon in den Brunnen gefallen, wie man so schön sagt. Das heißt nicht, dass wir uns nicht um Aufklärung bemühen. Häufig kommt es deswegen zum Streit, wenn ich meinen Kindern eine Smartphone-Pause verordne. Ich gehe gerne mit meinen Kindern Skifahren, spiele Brettspiele oder gehe an der Isar fischen - diese Art von Ablenkung gelingt fast immer. Etwas gemeinschaftlich zu erleben, ist - so abgedroschen dieses Wort klingt - nachhaltig erfüllend. Das versuche ich meinen Kindern mit auf den Weg zu geben. Soziale Medien liefern nicht mehr als kurze Befriedigungskicks, eine kleine Belohnung.

    Und Sie bergen auch große Risiken.

    Fritz Karl: Das ist der nächste wichtige Punkt. Jeder muss aufpassen, was er konsumiert. Deshalb sprechen wir viel mit unseren Kindern darüber, was alles im Netz kursieren kann. Neulich hat mir einer meiner Jungs gesagt, er wolle später einmal Millionär werden und hat mir irgendeinen Betrüger auf TikTok gezeigt. Das wolle er machen. Ich habe ihm erklärt, dass das kein Beruf ist.

    Eine besondere Form von Druck übt Ihre Rolle Mathi im Film "Überväter" auf seinen Sohn aus - wie viel Ihres eigenen Vaterseins steckt also in diesem Alter-Ego?

    Fritz Karl: Ich bin - genau wie Mathi - ein großer Verfechter davon, dass Kinder selbstständig sind und dass wir Eltern ihnen nicht den Hintern abwischen, bis sie 16 sind. Sie müssen ihre eigenen Erfahrungen machen, ihre eigenen Niederlagen erleben. Das Schlimmste, was man seinem Kind antun kann, ist, es vor allem beschützen zu wollen. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, und mein Radius, in dem ich mich frei bewegen konnte, war etwa zweieinhalb Kilometer, wenn nicht mehr. Das war möglich, weil wir unabhängig waren, weil wir auf uns selbst aufgepasst haben.

    Und das gibt es heute nicht mehr?

    Fritz Karl: In der Form leider nicht mehr so häufig, nein. Ich schätze, heute beträgt der freie Bewegungsradius eines Kindes nur noch 200, 300 oder maximal 400 Meter.

    Worauf führen Sie das zurück?

    Fritz Karl: Das ist eine gesellschaftliche Entwicklung. Die Menschen erziehen ihre Kinder nicht mehr zur Selbständigkeit. Ich führe diese Entwicklung auf ein allgegenwärtiges Gefühl der Angst zurück. Wir werden mit negativen Schlagzeilen überschwemmt. Es hat sich über die Jahre nicht viel geändert, was alles Schlimmes passiert. Das gab es früher auch. Nur die Informationsflut ist heute eine ganz andere. Das heißt, wir werden ständig mit Angst getriggert und versuchen deshalb auch, alles abzusichern. Das als Beispiel: Wenn jemand stolpert, sucht er jemanden, den er dafür verklagen kann. Früher war es einfach meine Schuld, wenn ich gestolpert bin. Eigenverantwortung? Fehlanzeige.

    In "Überväter" fällt in vergleichbaren Situationen häufig der Ausdruck "richtiger Mann" - was ist Ihrer Meinung nach ein "richtiger Mann"?

    Fritz Karl: Ein echter Mann hat vor allem Einfühlungsvermögen und vertritt seine Meinung. Er sollte auch ehrlich sein. Vor allem aber Menschen allgemein auf Augenhöhe zu begegnen, ist wahre Stärke. Sich über Frauen hinwegzusetzen, den Gorilla zu spielen und nach unten zu treten, ist Schwäche. Das sind lächerliche Abziehbilder eines Mannes, rückgratlose Seeanemonen.

    "Bei uns wird gut gestritten und auch wieder gut versöhnt"

    Rückgratlose Seeanemonen führen wohl auch keine glückliche Beziehung, die nun schon seit 17 Jahren andauert, oder?

    Fritz Karl: Wohl kaum. Meine Frau, Elena Uhlig, und ich sind viel unterwegs, haben einen stressigen Job. Wir haben großes Glück, dass wir mit unseren Kindern und allem drum herum eine tolle Unterstützung haben. Sonst könnten wir das alles gar nicht stemmen. Außerdem kennen es unsere Kinder gar nicht anders, dass wir auch mal eine Zeit lang auf Tour sind. Wir müssen nur immer darauf achten, dass wir die Zeit, die wir haben, auch richtig nutzen und genießen. Logistik ist das A und O.

    Allein die Logistik kann aber unmöglich das Rezept für Ihre stabile Beziehung sein ...

    Fritz Karl: Natürlich muss man sich auch mal in die Haare kriegen (schmunzelt). Nein, im Ernst: Bei uns wird gut gestritten und auch wieder gut versöhnt. Keiner geht beleidigt ins Bett - das ist ganz wichtig. Schlecht wäre es, Dinge zu verdrängen. Man muss auch aussprechen können, was einem auf dem Herzen liegt. Wir sind Menschen aus Fleisch und Blut, mit unseren Eigenheiten, mit unseren Bedürfnissen, mit unseren Ängsten, mit unseren Zwängen, mit allem, was dazu gehört. Und damit müssen wir umgehen.

    So wie mit schweren Rollen wie der von Hitler in "Führer und Verführer".

    Fritz Karl: Eigentlich übe ich die Dialoge immer mit meiner Frau. Aber diesmal tat ich es nicht. Das hat mit der Vergangenheit ihrer Familie zu tun, die zum Teil im KZ umgekommen ist. Es war nicht einfach, dass ich Hitler gespielt habe. Wenn ich mir Dokumentationen angeschaut oder Tonaufnahmen angehört habe, hat sie immer den Raum verlassen.

    Wirkte sich das negativ auf Ihre Beziehung aus?

    Fritz Karl: Nein, ganz im Gegenteil: es war zwar nicht leicht, aber wir sind gestärkt daraus hervorgegangen.

    Hatten Sie Bedenken, die Rolle zu übernehmen?

    Fritz Karl: Nein, ich hatte keine Zweifel. Ich habe das Drehbuch gelesen und wusste, in welche Richtung der Film gehen sollte. Hitler wurde in den bisherigen Filmen immer karikiert oder als schreiender Dämon dargestellt, den man nur aus den Reden kennt, meistens aus den letzten fünf Minuten.

    Und das war er etwa nicht?

    Fritz Karl: Doch, aber eben nicht nur. Wenn man sich damit beschäftigt oder Zeitzeugenberichte liest, wird er auch als zurückhaltender Österreicher beschrieben. Als das Angebot kam, habe ich mir eine Aufnahme aus Finnland angehört, auf der Hitler und Mannheimer ganz normal miteinander sprechen. Ich glaube, es ist wichtig zu zeigen, was für ein Sahnetorten fressendes, bis vier Uhr morgens Serien-bingendes Ekel er war. So zeigen wir auch seine Schwächen und entdämonisieren ihn. Für uns heißt das: Aufklärungsarbeit leisten. Interview: teleschau