Zum erfolgreichen True Crime-Podcast "Zeit Verbrechen" steht bei RTL+ jetzt eine hochwertige Mini-Serie mit einzelnen Filmen auf Abruf bereit, die auch im Kino laufen könnten.
Es sind echte Fälle und Verbrechen, es ist echtes Leid der Opfer: Das True Crime-Genre lebt von der Faszination des Morbiden nebenan. Und die scheint grenzenlos. Der Podcast "Zeit Verbrechen" von der mehrfach ausgezeichneten Gerichtsreporterin Sabine Rückert etwa gehört mit fünf Millionen Streams pro Monat zu den meistgehörten in Deutschland. Ab 6. November zeigt RTL+ eine Bewegtbildvariante des Podcasts: Vier Fälle werden jeweils mit einem fiktionalen Spielfilm neu interpretiert und von hintergründigen Dokumentationen faktisch unterfüttert.
Ursprünglich für Paramount+ produziert, stand es nach Sparplänen beim Mutterkonzern des Streamingdienstes lange auf der Kippe, ob "Zeit Verbrechen" überhaupt ausgestrahlt wird. Schließlich hat sich RTL+ die Rechte gesichert und erweitert sein Angebot um hochwertig produzierte deutsche Inhalte. Zum Glück, darf man sagen.
Die jeweils etwa einstündigen Filme der Anthologie-Serie wurden von unterschiedlichen Regisseuren gedreht: als beklemmender One-Shot, als Gerichtsdrama, als V-Mann-Thriller und als Einsamkeitsstudie. Zum Cast gehören Schauspielgrößen wie Sandra Hüller, Lars Eidinger, Anna Bederke, Aljoscha Stadelmann, Joachim Król und Lavinia Wilson.
In den dazugehörigen Dokumentationen beleuchten Sabine Rückert und weitere Journalisten einzelne Aspekte der Fälle und ordnen die Geschehnisse dadurch ein. Rückert saß in großen Strafprozessen, schrieb preisgekrönte Gerichtsreportagen und ging unvorstellbaren Kriminalfällen nach - sie weiß, wovon sie redet und wen sie was fragen muss. Grundsätzlich funktioniert das Konzept auch, etwa wenn Rückert unfassbare Versäumnisse bei den Ermittlungsbehörden aufdeckt.
Dass True Crime immer auch ein bisschen Boulevard ist, kann "Zeit Verbrechen" nicht verhehlen. Bisweilen sind vor allem die Dokumentationen entweder zu naiv oder zu seicht. Oder beides.
Aber es sind ohnehin die Spielfilme, die das Format zu einer kleinen Sensation machen. Großes Kino bei RTL+. Die Regisseurinnen und Regisseure konnten sich austoben, und sie haben ihre Freiheiten genutzt. Lars Eidinger dabei zuzusehen, wie er als spielsüchtiger V-Mann Johnny in "Der Panther" (Regie: Jan Bonny) durch Spielhöllen und Bordelle tigert, wie er im Gangstermilieu ganz noch oben will, sich aber gleichzeitig der Polizei als Informant andient, ist schlicht faszinierend.
Jan Henrik Stahlberg sitzt in "Love by Proxy" einem Internetschwindel auf, der von Faraz Shariat als einfühlsame Etüde über Einsamkeit inszeniert wird. In "Deine Brüder" verschränkt Regisseurin Helene Hegemann wiederum die faktische Kälte eines Gerichtssaals mit den impulsiven Erzählung eines getriebenen Jugendlichen, der Täter und Opfer zugleich ist.
Herausragend ist auch der Fall "Dezember" umgesetzt. Der Film von Mariko Minoguchi zeigt in einer beklemmenden Reduziertheit die letzten Stunden im Leben des 18-jährigen Tim (Samuel Benito) - und zwar aus seiner Perspektive. Der junge Mann wurde, stark alkoholisiert und völlig hilflos, nach einem Diskobesuch bei eisiger Kälte auf einer Landstraße überfahren - obwohl er zuvor im Polizeiauto in eine Ausnüchterungszelle gebracht werden sollte.
Es schmerzt regelrecht, ihm dabei zusehen, wie er orientierungslos durch die Dezembernacht irrt. Wie er von gestressten Rettungssanitätern wider besseres Wissen nicht ins Krankenhaus gebracht wird. Wie ihn zwei Polizisten im Nirgendwo aussetzen, um sich zusätzliche Arbeit zu ersparen.
Man kann kaum glauben, was alles schiefläuft, bis Sabine Rückert in der Doku die Hintergründe erklärt - die noch viel unglaublicher sind. Nur durch einen Zufall und die Beharrlichkeit der Hinterbliebenden-Anwälte ist es vor 20 Jahren gelungen, den Fall aufzuklären, den die von Korpsgeist geleiteten Behörden (Polizei und Staatsanwaltshaft) gerne zu den Akten gelegt hätten. Quelle: teleschau