Hinweise zu alten ungelösten Fällen gesucht: Neue Spezialausgabe der True-CrimeReihe des ZDF zu „Cold Cases“. Ein Fall der Sendung bleibt vorab geheim - aus gutem Grund.
Ein Artikel von HÖRZU Reporter Michael Tokarski
Das Prinzip des TV-Dauerbrenners „Aktenzeichen XY… Ungelöst“ war viele Jahrzehnte gleich: Die Polizei bat Zuschauer um Mithilfe bei aktuellen Kriminalfällen. Doch es hat sich etwas geändert. Seit 2020 widmet sich die Reihe in Sondersendungen auch alten ungelösten Fällen, sogenannten Cold Cases. Jetzt präsentiert Rudi Cerne die neueste dieser Spezialfolgen. In Deutschland gibt es über 3000 ungeklärte Tötungsdelikte – vier davon stellt der Moderator diesmal vor. Zu den Fällen vergangener „Cold Case“ Folgen gab es wertvolle Hinweise. Darauf hofft Cerne auch diesmal.
Doch wie kommt es überhaupt dazu, dass sich Zuschauer zu Fällen melden, die zum Teil Jahrzehnte zurückliegen? „Es ist der Druck, etwas Wichtiges zu wissen“, sagt Rudi Cerne im Gespräch mit HÖRZU. „Diesen Druck tragen einige Menschen jahrelang mit sich herum. Das Gehirn lässt sich nicht löschen wie eine Festplatte. Irgendwann sind die Zeugen sogar froh – ausgelöst durch den Aufruf in ‚Aktenzeichen XY…‘ –, ihr Gewissen zu erleichtern.“
Fälle für die Sendung bekommt das ZDF von Polizisten wie Markus Schlemmer. Er leitet die Kriminalpolizeiinspektion Aschaffenburg. „Mir haben Zeugen erzählt, dass sie schon oft überlegt und das Telefon bereits in der Hand hatten“, sagt der Kriminaldirektor im Interview. „Dann kamen die Zweifel: Bringt meine Information die Polizei wirklich weiter? Andere hatten Angst, einen Unschuldigen zu belasten – oder selbst ins Visier zu geraten.“
In Schlemmers Dienststelle in Aschaffenburg gibt es seit 2018 die AG Altfälle. Hier nimmt sich das Team in regelmäßigen Abständen ungelöste Fälle vor, die mehrere Jahre zurückliegen und eigentlich zu den Akten gelegt wurden. Moderne Methoden wie DNA-Analysen oder neue Spurenbewertung führen mitunter zu neuen Erkenntnissen. Dann kann die Zeit reif sein, die Suche medial auszuweiten. „Einige Taten liegen Jahrzehnte zurück“, erklärt Markus Schlemmer. „Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Täter und mögliche Zeugen nicht mehr vor Ort wohnen. ‚Aktenzeichen XY…‘ ist eine sehr gute Möglichkeit, bundesweit Menschen zu erreichen.“
ZDF-Moderator Rudi Cerne ergänzt: „Auch Beziehungen können sich in der Zwischenzeit verändert haben. Womöglich hat ein Mitwisser viele Jahre aus Loyalität geschwiegen. Wenn sich dann zwei Menschen trennen, kann es sein, dass der eine Partner sein Schweigen bricht. Auch Rache am Ex ist dabei ein mögliches Motiv. Aus Liebe kann Hass werden.“ Ob und welcher Cold Case im Fernsehen präsentiert wird, will gut überlegt sein. „Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst“, sagt Ermittler Markus Schlemmer.
„Neu aufgenommene Ermittlungen reißen womöglich bei Hinterbliebenen alte Wunden auf. Das sind Menschen, die 20, 30 Jahre mit der Ungewissheit gelebt und sich irgendwie damit arrangiert haben. Das Schlimmste wäre, wenn jemand zufällig in die ZDF-Sendung schaltet und vom Bild seiner vor 20 Jahren getöteten Ehefrau überrascht wird. Deshalb stehen wir in engem Austausch mit den Angehörigen, bevor wir einen Fall neu aufrollen. Die Rückmeldung, die wir bekommen, ist aber eindeutig: Die Menschen sind froh, dass wieder an diesen Fällen gearbeitet wird.“
Ebenso wichtig sei für Schlemmers Team allerdings das Thema Erwartungsmanagement. „Wir sprechen mit den Angehörigen der Opfer über deren Hoffnungen – und auch darüber, dass wir diese Hoffnungen unter Umständen nicht erfüllen können.“ In der neuen Sendung von „Aktenzeichen XY… Cold Cases“ im März steuert Schlemmers Team wieder einen Fall bei.
Doch anders als bei den weiteren drei Fällen der Sendung kann HÖRZU diesen Cold Case nicht vorstellen: Die Details werden bis zur Ausstrahlung nicht veröffentlicht. Kriminaldirektor Schlemmer bittet um Verständnis: „Wir wollen das Überraschungsmoment in Bezug auf den Täter nutzen.“ Und er ergänzt: „Wir sind guter Dinge, dass wir hilfreiche Hinweise erhalten werden. Wenn Sie die Sendung sehen, wird klar werden, warum wir diesen Fall vorab geheim halten wollten.“