Die ARD-Miniserie "Spuren" erzählt eine wahre Geschichte aus dem Jahr 2016, als im ländlichen Südbaden zwei junge Frauen ermordet wurden. Ex-„Tatort“-Kommissarin Nina Kunzendorf spielt die Leiterin der "SOKO Sonntag", deren akribische Arbeit packend in Szene gesetzt wird.
Wer sich im wahren Leben mit der Ermittlung von Mordfällen beschäftigt, weiß, dass diese anders funktionieren, als in der Regel im Krimi dargestellt. Die dreistündige Miniserie "Spuren" (Sa, 15. Februar im Ersten und in der ARD-Mediathek) beruht auf dem Sachbuch "SOKO Erle" von Walter Roth. Aus seiner Sicht als Pressesprecher der Polizei erzählt der Autor die akribische und letztendlich erfolgreiche Suche nach den Mördern einiger junger Frauen detailreich nach. Zwei der Morde geschahen in räumlicher und zeitlicher Nähe im ländlichen Südbaden. Die Geschichte trägt sich vorwiegend im fiktiven Buchingen zu, wo das erste Opfer zu Hause war.
Eine junge Frau ist nicht vom Joggen zurückgekehrt, ein paar Tage später wird ihre Leiche gefunden. SOKO-Leiterin Barbara Kramer, gespielt von Nina Kunzendorf (ermittelte als Hauptkommissarin Conny Mey von 2011 bis 2013 im "Tatort: Frankfurt") und ihr Assistent Thomas Riedle (Tilman Strauß) lassen ein etwa 40-köpfiges Team an der Aufklärung dieses Mordes arbeiten, das sich vor Ort einrichtet. Dann plötzlich wird eine zweite Frauenleiche gefunden. Eine junge Chorsängerin ist auf dem Nachhauseweg mit dem Rad überwältigt worden. War es ein und derselbe Täter?
Nein, hier gibt es keine unerwarteten Wendungen in Minutentakt, keine Alleingänge der Ermittler und auch keine übertriebenen Traumata oder Besessenheit der badischen "True Detectives". Kunzendorf und Strauß spielen - flankiert von weiteren starken, eher unbekannten Gesichtern in Ermittler-Nebenrolle - präzise und unaufgeregt Ermittlungsprofis, die aber auch echte Menschen sind. Ihre Arbeit ermüdet sie, sie sind frustriert, wütend oder angefasst vom Leid der Angehörigen. Und sie haben Probleme - wie Strauß' Figur, die aus dem Ort des Verbrechens kommt -, alte Freunde und Bekannte als Verdächtige zu behandeln oder ihnen unangenehme Wahrheiten mitzuteilen. All diese leisen menschlichen Reaktionen werden von Regisseur Stefan Krohmer ("Sie haben Knut") so behutsam und geduldig beobachtend in Szene gesetzt, als befände man sich in einem Dokumentarfilm.
Wenn "Spuren" beinahe dokumentarisch wirkt, ist das für die Fictionserie keineswegs ein Nachteil. Eher ist es faszinierend, denn die Beobachtung all der Details und Mühen, die eine solche Mordermittlung rund um Tatort-Analyse, das Durchforsten von Datensätzen oder be- und entlastende Indizien mit sich bringt, kann in aller Genauigkeit nachvollzogen werden. Wer Freude an solcher Detailarbeit hat - und auch daran, wie Mitglieder der SOKO ihre persönlichen Tiefs und auch kleinen Streitigkeiten überwinden - kann sich für dieses leise, aber trotzdem einen gewaltigen Sog schaffende Spannungsstück begeistern. Warum nicht mal einen Krimi so erzählen, wie er sich (in etwa) zugetragen hat?
Die Begeisterung für True Crime-Stoffe ist bekanntlich ungebrochen. Worauf "Spuren" gänzlich verzichtet, sind klassische Krimi-Klischees. Man wird keine Emittler mit vorgehaltener Waffe ein dunkles Haus untersuchen sein, es gibt keine Verfolgungsjagden und (fast) keine Verdächtigen, die hier schon vorab in Rollen eingeführt werden.
Redakteurin Katharina Duffner vom SWR fasst den Ansatz ihres Dreistünders so zusammen: "Es ist eine Geschichte vom Durchhalten, vom Nicht-Aufgeben, von Verantwortung der Öffentlichkeit gegenüber, von Teamarbeit und ganz ohne Verfolgungsjagden. Unser Fokus war immer, die Geschichte aus der Perspektive der Ermittlenden zu erzählen. Wir machen einen Polizeifilm - und erzählen nicht primär die Geschichte einer Tat, sondern ihrer Aufklärung und die Mühen der Ebene."
Dies führt dann zu einer Szene wie dieser: Eine Polizistin sucht mit der Lupe das Blatt einer Hecke am Tatort ab. An diesem Heckenblatt, wahrscheinlich das 3.000. ihrer Arbeitswoche, findet die Spurensichernde ein Haar. Man begleitet dieses Haar nun ins Labor, darunter liegt subtile Spannungsmusik, schließlich wartet man auf das Ergebnis der DNA-Analyse. Gibt es Treffer in der Datenbank oder bei jenen Dorfbewohnern, die freiwillig ihr Erbgut zur Verfügung stellten?
Was sonst in Krimis schnell mal mit einer Frage-Antwort-Runde abgehakt wird, kann man hier über Minuten in allen Handlungsdetails nachvollziehen. Oder auch dem Problem der SOKO beiwohnen, wie man einen 50.000er-Datensatz analysiert, der händisch von längst müden und erschöpften Mitarbeitern auf Auffälligkeiten durchgearbeitet werden muss. Szenen wir diese sind in etwa das Gegenteil eines "atemlosen Thrillers" - aber machen "Spuren" zu einem ebenso ungewöhnlich wie spannenden Serienerlebnis. Quelle: teleschau