"Tatort Münster": Liefers & Prahl haben konkrete Pläne für das Ende

15.12.2024 um 12:30 Uhr
    "Tatort Münster": Liefers & Prahl haben konkrete Pläne für das Ende | © WDR
    Doreen Prätoriusist ist von den tragischen Ereignissen in ihrem Haus  traumatisiert. | ©WDR

    Exklusiv: Das Erfolgsteam des „Tatort Münster“ im XXL-Interview über den neuen Fall, seine Einschaltquoten, 55 Jahre „Tatort“ und ein spektakuläres Ende von Thiel und Boerne im Weltall.

    Eine Leiche, durchbohrt von einer Lanze. Finger, die bewusst abgehackt werden. Ein Geheimnis, das im Keller eines grotesken Privatmuseums lauert. Ja, die „Zutaten“ des 46. „Tatort Münster“ sind schaurig. Der Titel ist sinister: „Man stirbt nur zweimal“ (So, 15 Dezember 20.15 Uhr im Ersten). Die Story skurril: Anwalt Oskar Weintraub (Nils Brunkhorst) wird tot in der Wohnung von Kunstliebhaberin Doreen Prätorius (Cordelia Wege) gefunden: Sein Körper „schwebt“ zwischen Zimmerdecke und Fußboden, aufgespießt vom Speer einer Kriegerskulptur.

    Boerne (Jan Josef Liefers) und Thiel (Axel Prahl) rätseln: Warum kann sich Prätorius nicht erinnern, was passiert ist? Ist die verletzlich wirkende Frau unschuldig? Clou des Krimis: Die Zuschauer kennen den Mörder von Anfang an, während Thiel und Boerne ihn in „Columbo“ Manier einkreisen.

    Interview von HÖRZU Chefreporter Mike Powelz

    „Man stirbt nur zweimal“ ist so raffiniert konstruiert wie ein „Columbo“-Krimi mit Peter Falk – denn auch dort kennen die Zuschauer den Mörder von Beginn an. Richtig wahrgenommen?

    Axel Prahl: Stimmt, bei „Columbo“ ist es immer so, dass der Zuschauer dem Ermittler von Anfang an voraus ist – und zum Beispiel weiß, dass ein arroganter Filmproduzent seine Mätresse um die Ecke gebracht hat …

    Insofern ist es wahrscheinlich auch kein Zufall, dass Kommissar Thiel Columbos Standardsatz – „Ich hätte da nochmal eine Frage“ – ebenfalls äußert. Oder?

    Axel Prahl: Keine Ahnung, das stand so im Drehbuch von Sascha …

    Jan Josef Liefers: … Arango alias Columbo! 

    Stichwort Sascha Arango: Dessen Drehbücher begeisterten bislang vor allem Fans des Kieler „Tatort“ – beispielsweise hat er die düsteren Geschichten über den an Zahnbürsten lutschenden Frauen-Serienmörder Kai Korthals, gespielt von Lars Eidinger, geschrieben. Was ist aus Eurer Sicht das Besondere an Eurem 46. „Tatort“: Man stirbt nur zweimal“?

    Axel Prahl: Das mit den Zahnbürsten ist lustig! Tatsächlich hatte ich bei den Dreharbeiten mal kurz darüber nachgedacht, irgendwo ein kleines Zitat einzubringen – und zum Beispiel mal kurz an der Abwaschbürste zu lutschen. Sozusagen als kleiner Hinweis darauf, wer hier unser Autor war. Aber dann habe ich doch darauf verzichtet, weil es ein merkwürdiges Licht auf Thiel geworfen hätte. Nein, im Ernst: Anfangs war es für uns gewöhnungsbedürftig, dass der Zuschauer den Mörder von Anfang an kennt – weil wir dachten, dass es dann ja überhaupt nichts mehr zum Miträtseln gäbe. Aber als wir den fertigen Film schlußendlich gesehen haben, ging uns auf, dass es doch ziemlich viel gibt, was einem anfangs nicht klar ist – insbesondere das große Drama um das Geheimnis im Keller, das ich an dieser Stelle natürlich noch nicht spoilern möchte. Deshalb nur so viel: Die Zuschauer erwarten diesmal seelische Abgründe, die man sich kaum vorstellen kann.

    Jan Josef Liefers: Dem habe ich nichts hinzufügen. Es ist allumfassend und für die nächsten vier Generationen sehr gut erklärt, Axel. Unterm Strich hat der Münster-„Tatort“, wie letztlich alle, mit den gleichen Probleme zu kämpfen: Wenn es eine Reihe so lange gibt wie unsere, dann steht man immer vor der Frage, wie es gelingen kann, sich jedes Mal wieder neu zu erfinden, aber gleichzeitig die Figuren und ihr typisches Verhalten immer wiedererkennbar zu halten, weil speziell die Fans das natürlich erwarten. Insofern ist dieser Spagat nicht ganz einfach. Mir gefällt, dass Sascha Arango auf seine Art etwas Neues beigesteuert hat, das man bisher vom Münster-„Tatort“ nicht kennt!

    Das gilt diesmal auch für Professor Boernes Seziertisch: Eine antike Skulptur lag bislang noch nie darauf, oder?

    Jan Josef Liefers: Stimmt, wobei wir schon mehrmals kuriose Sachen auf dem Obduktionstisch in Boernes Gerichtsmedizin hatten – beispielsweise fallen mir auf Anhieb die Eichhörnchen aus der letzten Folge „Unter Gärtnern“ ein.

    Axel Prahl: Und mir der Pinguin aus unserem Krimi „Schlangengrube“!

     

    Jan Josef Liefers: Vor Allem müssen alle sowas wollen. Wenn es wirklich gewollt wäre, ginge es natürlich – was ja irgendwie für alles im Leben gilt. Wo ein Wille, da auch ein Weg. Aber wenn man es eigentlich nicht will, findet man leicht 1.200 Gründe, warum es nicht geht.

    Axel Prahl: An uns sollte es nicht liegen. Wir wären zu jedem Quatsch bereit. Man könnte das Ganze gut Monty-Python-mäßig aufziehen – etwas komplett Unernsthaftes auf beiden Seiten könnte ich mir sehr gut vorstellen. 

    Kommenden November wird der Tatort 55. Mal angenommen, Sie bekämen den Sendeplatz zu diesem Jubiläum – und dürften nach Maria Furtwängler und Axel Milberg im 1.000 „Tatort: Taxi nach xx“ und den Dortmundern sowie Münchner Kollegen anlässlich von 50 Jahre „Tatort“ im Jahr 20xx – ebenfalls crossover mit einem anderen „Tatort“-Team ermitteln. Wer käme Ihnen da instinktiv in den Sinn?

    Jan Josef Liefers: Na ja, die Münster-Welt unseres „Tatort“ ist schon so speziell und in sich geschlossen – mit den Figuren und ihrem typischen Verhalten – dass sie nicht ohne Weiteres kompatibel mit einem super-realistischen „Tatort“ ist. Aber komplett ausgeschlossen ist es auch nicht. Aus meiner Sicht würde ein „Crossover“ gut funktionieren, wenn zum Beispiel jemand in unsere Welt käme wie Maria Furtwängler als Lady-Cop, denn trotz Jeans und T-Shirt hat sie ja was von einer Lady. Und auch die Kölner und Münchner suchen immer mal auch die Komik in ihren Fällen. Aus so einem Clash zwischen den Teams müsste dann etwas neues, sehenswertes entstehen.

    Axel Prahl: Stimmt. Die Kölner und Münchner sind manchmal sehr, sehr komisch – im besten britischen Sinne. Das würde durchaus zu uns passen. 

    Kurzer Blick in die Zukunft: Wenn Ihre Figuren eines Tages mal von der „Tatort“-Bildfläche abtreten müssten, wie sollten sie das aus Ihrer Sicht tun? Sterben – oder lieber lebend ins Off gehen? Welchen Abgang würden Sie Thiel und Boerne wünschen?

    Axel Prahl: Für unseren letzten Fall hätte ich schon eine Idee – ich fände es lustig, wenn wir uns da im Raketenforschungszentrum bei uns um die Ecke ein wenig verlaufen und plötzlich mitten im Countdown hängen und leider Gottes mit ins Weltall geschossen würden. Das könnte ich mir gut vorstellen.

    Jan Josef Liefers: Genau. Wir sitzen da in einer begehbaren Rakete und finden es noch richtig lustig, dass da plötzlich eine Stimme rückwärts zählt – und Boerne drückt zuletzt selbst noch auf diesen einen Knopf auf dem steht: „Achtung! Drücken verboten!“ Nach unserem Abschuss landen wir dann im Orbit … Ein Ende, dass auch eine Rückkehr erlaubt …

    … und obendrein ein Gedankenspiel, dass die Frage nach Ihrem Wunsch-„Tatort“ aufwirft. Welche Bausteine – vom Milieu über das Setting – hätte Ihr Wunschkrimi?

    Axel Prahl: Ich würde wahnsinnig gerne mal durchgehend auf einem riesigen Rockfestival drehen. Thiel und Boerne beim Rock am Ring...  

    Jan Josef Liefers: Mein Wunsch-„Tatort“ würde auf einer Technologie-Messe beginnen, sowas wie „Jugend forscht“. Dort präsentiert ein 12jähriges Genie seine Zeitmaschine. Thiel und Boerne geraten zufällig in den Strahl der Maschine – und finden sich im Mittelalter-Münster wieder. Dort begegnen sie Alberich als Burgfräulein und es startet so eine Art „Game Of Thrones“, nur in lustig.

    Stichwort Flirten: Wer den Münster-„Tatort“ regelmäßig schaut, hat längst wahrgenommen, dass sich zwischen Boerne und Silke Haller immer mehr augenzwinkernde Sympathie – sowie immer mehr Annäherung – entwickelt. Wird aus den beiden irgendwann ein Paar? Nach dem Motto „Gegensätze ziehen sich an“?

    Jan Josef Liefers: Hmm … auf dieser Hochzeit würde ja sicher feierlich gefragt, dass jemand, der etwas gegen diese Ehe vorzubringen habe, jetzt sprechen oder für immer schweigen möge. Und in diesem Moment würde man von hinten Schüsse vernehmen, weil Thiel dort zweimal in die Decke geschossen hätte …

    Axel Prahl:  Genau – und er würde rufen: „Ich werde dich festnehmen als Bigamisten. Du bist mit mir verheiratet!“

    Jan Josef Liefers: Das stimmt. Wir sind bereits verheiratet - miteinander. Eine Sache, die ich mir vor 22 Jahren, als das hier anfing, auch anders vorgestellt hatte.

     

    Stichwort Mathe: Die Münchner „Tatort“-Cops – sowie auch Ulrike Folkerts – steuern bereits krass auf ihren jeweils 100. Fall zu. Realistisch, dass Sie die 100 ebenfalls voll machen?

    Jan Josef Liefers: Ginge das rechnerisch? Oder müssten wir dann als Geist zurückkehren?

    Axel Prahl: Hmmm, bei zwei Krimis im Jahr würden wir 25 Jahre für 50 Fälle brauchen. Wäre ich dann nicht schon 124?

    Nicht unbedingt: Ihr 46. Krimi „Man stirbt nur zweimal“ läuft in Ihrem 22. Jahr. Wenn Sie in dem Tempo weiterdrehten – und vielleicht ab und zu sogar mal drei pro Jahr schaffen - würden Sie die 100 zwischen 2046 und 2050 knacken …

    Axel Prahl: Dann wäre ich also mindestens 86, was …

    Jan Josef Liefers: … natürlich absolut realistisch ist. Ich sehe uns schon mit unseren Rollatoren durch die Heide wackeln. „Mit dem Rollator durch die Rieselfelder“ – das wäre doch ein schöner Filmtitel.

    Axel Prahl: Sorry, aber mit 86 brauche ich doch noch keinen Rollator – zumindest nicht, wenn ich dann noch so fit bin wie Dieter Hallervorden. Der feiert nächstes Jahr seinen 90. Geburtstag und ist immer noch topfit. 

    Jan Josef Liefers: Außerdem wäre es möglich, dass Elon Musk im Jahr 2046 schon Drähte in unser Hirn geschraubt hat und wir dann auf einmal aussehen wie 15-Jährige.

    Axel Prahl: Du vielleicht. Du machst ja jeden neuen Scheiß mit! 

    In nicht sooo ferner Zukunft – nämlich bereits Ende 2025 – steigt Mechthild Großmann aus dem Münster-„Tatort“ aus. Früher haben Sie oft gesagt, dass ganz Schluss wäre, wenn Mitglieder der Big Five gingen. Aber mal ehrlich: War Ihnen denn nicht immer klar, dass früher oder später mal einer das Boot verlassen würde und man angesichts Ihrer fantastischen Quoten auf jeden Fall weitermachen muss? 

    Axel Prahl: Nun, damals haben wir im Leben nicht angenommen, dass der Münster-„Tatort“ jemals so erfolgreich werden würde. Vor diesem Hintergrund haben wir anfangs gesagt, dass wir den Laden zusammenpacken können, sobald jemand aussteigt. Aber bereits nach Nadeshads Ausstieg haben wir gemerkt, dass wir wahnsinniges Glück mit unserem letzten Neuzugang – Björn Meyer als Kriminalkommissar Mirko Schrader – hatten. Und was Mechthilds Ausstieg betrifft: Klar reißt sie eine Riesenlücke. Aber zum Glück hat sie versprochen, dass sie gerne mal wieder mit dabei wäre, wenn man ihr eine gute Täterrolle anbieten würde.

    Wird’s eine neue Staatsanwältin geben?

    Axel Prahl: Keine Ahnung …

    Jan Josef Liefers: Jetzt hat doch Kamala Harris bald Zeit. Die könnte man mal fragen. Schließlich war sie schon mal Generalstaatsanwältin in Kalifornien. Ich finde, sie würde gut zu uns passen.

    Leonard Lansink hat HÖRZU kürzlich angesichts seines letzten Jubiläums – „Wilsberg“ feierte im Januar 2024 die 80. Folge– gesagt, dass sich eine Crossover-Folge mit Ihnen wünscht, da sowohl er als auch Sie beide in Münster ermitteln. Doch angeblich gibt’s zu viele Hindernisse – beispielsweise die Frage, ob DasErste oder ZDF den Krimi zeigen dürfte …