Der kindliche Traum von der Musikkarriere: Clueso (44) weiß genau, wie er sich anfühlt. "Außer für Musik war ich für nichts zu begeistern auf Dauer", erinnert sich der Erfurter Musiker Interview an die eigene Jugend. Heute hilft er als neuer Juror bei "The Voice Kids" jungen Talenten auf die Spur und sehnt sich nach Langeweile – aus einem bestimmten Grund, wie er ganz am Ende des Interviews erklärt.
"Papa, ich will Rapper werden, aber keiner glaubt dran. Man kann kein Geld verdienen mit 'ner Musiklaufbahn." - Wenn Kinder ihren Eltern verkünden, dass sie als Sänger oder Sängerinnen ihr Geld verdienen möchten, löst das meist keine Begeisterungsstürme aus. Als Thomas Hübner alias Clueso von der Schule flog, weil seine kreative Künstlerseele dort keine Entfaltungsmöglichkeiten fand und rebellierte, stand sein Großvater hinter dem heute 44-Jährigen: "Opa kann Gitarre spielen, wie Freunde hängen wir rum. Und meint: 'Ey, Leute, ich mach mir keine Sorgen um den Jungen!'" Diese Zeilen stammen aus Cluesos Version des Liedes "Anlauf nehmen" (Original von Sängerin ELIF), das Clueso nach dem Tod seines Großvaters biographisch umschrieb und diesem widmete.
"Mein Opa brachte mir Gitarre spielen bei. Das war eine der wenigen Sachen, auf die ich damals Lust hatte. Außer für Musik war ich für nichts zu begeistern auf Dauer", erzählt Clueso nun im Gespräch. Anlass ist sein neuer Job im TV: Er nimmt in der 13. Staffel von "The Voice Kids" (ab Freitag, 21. Februar, SAT.1) zum ersten Mal auf dem roten Coaching-Stuhl Platz. Wie die Nachwuchstalente ihn an seine eigenen Anfänge erinnern, wer ihm das Herz gebrochen hat, und ob er neue Songs nur mit dem dazugehörigen Schmerz komponieren kann, verrät der Erfurter Sänger im Interview.
Sie sind zum ersten Mal Coach bei "The Voice Kids". Wie schwierig ist es, einem Kind zu sagen, dass es leider in der Show nicht weiterkommt?
Clueso: Es ist echt emotional und eine Achterbahn der Gefühle, aber auch keine Einbahnstraße. Die Kinder brechen uns auch das Herz, wenn sie sich für einen anderen Coach entscheiden. Aber das müssen wir Coaches aushalten - denn jeder soll ja in sein Lieblingsteam gehen dürfen. Und die Kids haben noch so viel Entwicklungspotenzial. Das Ausscheiden ist zwar traurig, aber wir ermuntern sie, dranzubleiben und es einfach noch mal zu versuchen.
Wer hat Ihnen denn das Herz gebrochen?
Clueso: Es gab zum Beispiel ein Mädchen, das ich gerne in meinem Team gehabt hätte. Ihr Vater war großer Fan meiner Musik. Den hatte ich also auf meiner Seite (lacht). Ich fragte ihn: "Welchen Song soll ich für deine Tochter spielen, damit sie zu mir kommt?" Ich habe dann "Gewinner" gesungen. Die Tochter hat sich für ihren Papa gefreut und geweint - und ist dann in ein anderes Team gegangen. So was schmerzt dann schon. Aber es geht ja um die Kids und nicht um uns.
Sind Sie bekannt bei den Kindern?
Clueso: Viele kannten mich tatsächlich nicht. Ich bin der Newcomer. Was witzig ist, weil ich ja bereits seit 20 Jahren Musik mache. Zu meinen Konzerten bringen die Leute, die in meinem Alter sind, mittlerweile schon ihre Kinder mit. Also passt das gut. Eine neue Generation, die mich jetzt durch die Show kennenlernen kann.
In Ihrer Jugend gab es noch keine TV-Talentsuche. Wie ging es bei Ihnen damals los? Wurden Sie zum Beispiel im Schulchor entdeckt?
Clueso: Im Gegenteil: Ein Gesangslehrer hatte mir gesagt, dass ich das mit dem Singen lieber lassen sollte. Ich denke, ich habe das Gegenteil bewiesen. (lacht)
Ihr Großvater hat aber an Sie geglaubt?
Clueso: Ja! Mein Opa brachte mir Gitarre spielen bei. Das war eine der wenigen Sachen, auf die ich damals Lust hatte. Außer für Musik war ich für nichts zu begeistern auf Dauer.
Wie ging es weiter?
Clueso: Ich fing mit etwa zwölf Jahren an, Songs zu schreiben, und nutzte jede Gelegenheit, irgendwo aufzutreten. Erst in der Schule, dann auf dem Stadtfest. Ich träumte mich von Stück zu Stück. Erst war es eine Fantasie, die dann immer realer wurde.
Würden Sie den jungen Sängerinnen und Sängern bei "The Voice Kids" raten, ganz auf die Musik zu setzen, oder erst mal "was Vernünftiges" zu lernen?
Clueso: Bei Kindern sollte man den richtigen Zeitpunkt finden. Wenn jemand das Talent offensichtlich hat und dafür brennt, dann muss es vielleicht nicht erst das abgeschlossene Hochschulstudium sein, bevor sich die Person der Musik widmet. Aber einen Schulabschluss in der Tasche und einen Plan B sollte man zumindest haben, bevor man alles auf die Musikkarte setzt.
Nur die wenigsten schaffen es, von Musik langfristig leben zu können.
Clueso: Exakt. Du brauchst sehr viel Energie für das Business und Ausdauer. Manchmal fühlt es sich wie ein Zehnkampf an. Ich selbst habe auch sehr lange gekämpft. Es kamen sehr lange keine Leute. Ich musste teilweise meine Musiker überzeugen: "Das wird schon irgendwann, lasst uns weitermachen", weil sie fast abgesprungen sind.
Selbst ein Sieg in einer Show wie "The Voice" ist kein Erfolgsgarant. Was müssen Musiker neben Durchhaltevermögen noch mitbringen?
Clueso: Schön singen allein reicht nicht, um Erfolg zu haben. Man muss auch gute Songs schreiben können oder Leute haben, die das für einen machen. Im Gegensatz zu früher muss man heutzutage ständig Output haben. Wer in der Show weit kommt, hat kurz einen Raketenantrieb als Unterstützung. Aber danach musst du selbst strampeln. Es ist wichtig, dass du Geschichten erzählen kannst mit deiner Musik.
Und Emotionen bei den Menschen erzeugen, oder?
Clueso: Absolut. Das zeigt die Sendung auch. Die große Frage ist: Wann und bei wem funktioniert Emotion? Es gibt Sänger:innen, die stehen einfach nur still da, und hauen einen um. Ich habe ein Mädchen im Team, das auch nur ganz wenig tut auf der Bühne. Aber sie berührt mich jedesmal. Und deshalb kommt sie dann auch immer weiter. Denn um die Emotion geht es! Quelle: teleschau / Vanessa Schwake
Viele Künstler produzieren ihre besten Werke in emotionalen Tiefphasen. Sie arbeiten gerade an Ihrem neuen Album. Gibt es dabei auch eine bestimmte Lebenslage, die es beeinflusst?
Clueso: Ja, die gibt es tatsächlich, aber das möchte ich nicht so konkret verraten. Aber es passiert natürlich viel beim Songschreiben über Schmerz oder Enttäuschung. Ich bin generell nicht der Typ, der ein Lied schreibt, weil die Sonne scheint und ich absolut gute Laune hab. In solchen Momenten gehe ich dann eher raus und unternehme etwas. Es gibt auch solche Songs von mir, - eher die Partytanzsongs. Die wird es auch weiterhin geben. Aber bei mir ist meist etwas Melancholisches dabei, das mich inspiriert, und auch ein bisschen Schmerz, der verarbeitet wird.
Sie scheuen sich nicht, tief in sich selbst zu blicken?
Clueso: Nein. Ich mache große Überschriften für mich und schaue mich und meine Schichten an. Ich bin ja mehr als nur eine bestimmte Person: Manchmal bin ich nahbar, penne auf einer Matratze auf dem Boden und ernähre mich tagelang von Pizzarändern. Manchmal geh ich im Flugzeug links, genieße ein 5-Sterne-Hotel und die Tatsache, dass ich die Mittel habe, wegzufliegen. So einen Charakter, in dem ich mich wiederfinde, habe ich mir skizziert als Rahmenfigur für das Album. Die meisten meiner Songs entstehen aus Begegnungen oder Kummer.
Spannend! In welche musikalische Richtung geht die Reise dieses Mal?
Clueso: Dieses Album ist wieder eine Rückbesinnung auf meine Wurzeln. Ich höre mir sehr viel Musik an und finde, heutzutage sind viele Sachen sehr glattgezogen. Aus sehr wenig wird dann manchmal sehr viel gemacht. Ich versuche das genau umgekehrt zu machen: Songs mit viel Substanz. Es wird sehr viele Live-Elemente geben. Und Elemente, die an den Clueso von früher erinnern. Außerdem sind die Lieder inspiriert von Musik, die ich mag. Oasis, Coldplay ...
Auch die älteren Songs von denen - so großartige Nummern wie "Yellow"?
Clueso: Genau! Den Song habe ich sogar mal ins Deutsche übersetzt, weil ich den so lieb'. Das Coldplay-Album "Parachutes" deckt sich sehr mit dem, was ich gerade mache. Die Songs holen dich ab, haben aber auch eine Größe. Sie spenden Energie und entspannen dich. Wenn Chris Martin auf der Bühne steht, fühlt es sich so an, als wäre das Stadion sein Wohnzimmer. Das schaffen nur wenige.
Zum Beispiel Sie, wenn Sie in Erfurt jedes Jahr die Messehalle oder den Domplatz füllen. Wie wichtig ist Ihnen Ihre Heimatstadt? Viele Musiker tummeln sich ja eher in Berlin.
Clueso: Erfurt ist meine Geburtsstadt und Wahlheimat. Ich bin viel unterwegs, was mir guttut. Es tut mir aber auch gut, nach Hause zu kommen. Wenn ich dort Konzerte spiele, ist das sehr entspannt und schön. Die Menschen freuen sich und wissen, dass Konzerte in meiner Heimat etwas Besonderes für mich sind. Ich kenne die Menschen und die Geschichten. Sie sehen mich ein bisschen in sich - und umgekehrt.
Neben dem neuen Album steht 2025 auch eine Akustik-Konzerttour an. Was ist Ihr persönlicher Wunsch für 2025?
Clueso: Ich wünsche mir Langeweile. Daraus kann der kreativste Prozess entstehen.