Veronica Ferres: „Manchmal bin ich sicher, dass ich schon mal gelebt habe“

04.03.2025 um 12:15 Uhr
    Veronica Ferres: „Manchmal bin ich sicher, dass ich schon mal gelebt habe“ | © Alamy
    Der Western „The Unholy Trinity“ mit Pierce Brosnan und Veronica Ferres startet im Mai in den US-Kinos, im Herbst in Deutschland. | ©Alamy

    Schauspielerin Veronica Ferres spricht im Interview mit HÖRZU über ihre neue RTL-Krimireihe „Alpentod“, Castings, Hollywood, ihren 60. Geburtstag, „Let’s Dance“ und ein höhere Macht.

    Sie hat ihre eigene Filmproduktionsfirma, zählt zu Deutschlands populärsten Schauspielerinnen, wurde mit zahlreichen Preisen geehrt – und geht hierzulande trotzdem noch zu Castings. Nur eines von vielen überraschenden Geständnissen, mit denen Veronica Ferres (59) HÖRZU beim Interview zu ihrer neuen RTL-Reihe „Alpentod“ (ab 4. März, 20.15 Uhr bei RTL) verblüfft.

    Ein Interview von HÖRZU-Chefreporter Mike Powelz

    HÖRZU: In den neuen Krimis spielen Sie Kommissarin Birgit Reincke, eine Ermittlerin, die aus Schuldgefühlen keine mehr sein will. Was reizt Sie daran?

    VERONICA FERRES: Einerseits, eine Figur mit einer bewegten Vergangenheit und einer spannenden Zukunft zu kreieren. Und natürlich war es auch reizvoll, in die Haut einer Frau zu schlüpfen, die nicht mehr als Ermittlerin arbeiten möchte. Als ich zum Casting eingeladen wurde …

    Moment! Heißt das, dass TV-Rollen nicht an Sie herangetragen werden und dass Sie noch zu Castings gehen?

    Natürlich kommt das manchmal vor. Bei „Alpentod“ meinte der Produzent, dass er gern mit mir drehen würde. Voraussetzung sei aber, dass er vorher ein „Konstellationscasting“ ausprobieren wolle. Dabei steht die Chemie zwischen den Darstellern im Fokus. Ich habe sofort zugesagt. Castings sind mein „täglich Brot“, bei internationalen Sachen habe ich auch ständig welche.

    Sie haben lange ausschließlich in Hollywood gearbeitet, jetzt drehen Sie wieder öfter fürs deutsche TV: erst „Hameln“, „Mordsschwestern“ und „Alpentod“, aktuell „Kacken an der Havel“. Ein Ortsname, oder?

    Stimmt! Der Name ist ungewöhnlich – und der Nachbarort Kotzen an der Havel sollte unbedingt noch in die Serie integriert werden! Ich habe darin eine sehr coole Rolle.

    Wie lange waren Sie in Hollywood?

    Nun, ich war nie dauerhaft in Hollywood, sondern vielmehr immer mal wieder drüben – eigentlich seit der Oscar-Nominierung von „Schtonk!“ 1993. Seitdem habe ich über 40 englischsprachige Filme gedreht, meist im Independent-Bereich. Noch 2025 kommt etwa der Film „Red Sonja“, der auf einem Marvel-Kultcomic basiert, mit mir in die Kinos, weltweit.

    Im Juni werden Sie 60. Wie zufrieden sind Sie auf einer Skala von 0 bis 10?

    Na ja, es gab Herausforderungen und Rückschläge, aber mein Mindset ist sehr stark. Wenn etwas nicht geklappt hat, hatte ich immer die Kraft, sofort wieder das Positive zu sehen. Und was meine Neugier, Offenheit und Kritikfähigkeit betrifft, fühle ich mich immer noch wie 17. Insofern bin ich auf der Skala bei einer 15. Generell finde ich, dass in Hesses Gedicht „Stufen“ viel Zutreffendes steckt, etwa in der Zeile „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“.

    Ehren ARD und ZDF Sie zum Geburtstag mit einer neuen Produktion?

    Nein! Das will ich auch gar nicht, das wäre ja fast wie ein Abschied. So was macht man erst zum 80. Aber ich habe dieses Jahr viele tolle neue Filme! „The Weight“, ein großes internationales Projekt, hole ich als Produzentin nach Bayern, dazu kommen vier große deutschsprachige Produktionen, für die wir hoffentlich bald grünes Licht kriegen.

    Und als Schauspielerin?

    Bis Ende Januar habe ich noch für Netflix „Kacken an der Havel“ gedreht, im Februar starte ich in London mit dem Dreh eines großartigen US-Thrillers. Außerdem kommt im Mai „The Unholy Trinity“ mit Pierce Brosnan, Samuel L. Jackson und mir in die US-Kinos – und bereits im Herbst startet der Film auch hierzulande. Schöner könnte es zum 60. Geburtstag nicht sein!

    Klingt, als hätten Sie kein Problem mit dem Älterwerden.

    Genau. Deshalb kann es auch gut sein, dass ich an meinem Geburtstag auf dem Starnberger See Wasserski fahre, statt mich in einer Location feiern zu lassen.

    Wie stehen Sie zu Verjüngungsstrategien, etwa zu Schönheits-OPs?

    Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Jeder muss mit sich selbst glücklich sein.

    Stichwort Karriere: Hatten Sie immer eine klare Richtung – oder haben Sie den roten Faden auch mal verloren?

    Ich habe seit meiner Kindheit eine starke innere Orientierung. Kennen Sie diese stark verwobenen Drahtseile, die man nie ganz auseinanderziehen kann? Bei mir fühlt es sich so an, als wäre eins davon in meinem Brustbein verankert. Es sitzt nicht nur tief in mir, es zieht mich auch immer in eine wunderbare Richtung – zu Herzlichkeit, Demut, Dankbarkeit und Lebensfreude.

    Was hat Sie zu dem Menschen gemacht, der Sie heute sind?

    Ich hatte oft das Glück, zur richtigen Zeit die richtigen Menschen zu treffen. Aber Demut, Dankbarkeit und die Gabe, Dinge wertzuschätzen, haben mich genauso geprägt. Das gilt auch für meine Niederlagen. Aus meinen Fehlern und Rückschlägen habe ich das meiste gelernt.

    Was war das größte Karrierehindernis auf dem langen Weg bis jetzt?

    Sämtliche Steine, die mir zu Beginn meiner Karriere in den Weg gelegt wurden – speziell wegen meiner Körpergröße! Ich wurde oft mit der Begründung abgelehnt: „Mit deiner Größe wirst du ein Sozialfall, lass es lieber bleiben.“ Das waren schmerzhafte Rückweisungen, die in mir aber eine gesunde Wut geweckt haben. Ich wollte mich nicht damit abfinden, denn Schauspiel ist für mich nicht nur ein Job, sondern eine Berufung. Ich möchte Menschen daran erinnern, an die Kraft ihrer Träume zu glauben. Wegen ein paar Zentimetern hätte ich mir das nie nehmen lassen.

    Veronica Ferres im Film „Schtonk!“ 1993. | ©Imago

    Sie wollten nie alles hinschmeißen?

    Nein. Nie. Aber gibt es rückblickend etwas, das Sie heute anders machen würden? Ja, ich hätte gern mehr Kinder. Im nächsten Leben werde ich das umsetzen und eine ganze Fußballmannschaft haben.

    Glauben Sie denn an Wiedergeburt?

    Teils ja, wobei ich mich da noch als Suchende bezeichne. Manchmal bin ich sicher, dass ich schon mal gelebt habe, weil ich Dinge erlebe, die mir seltsam vertraut vorkommen. Andererseits möchte ich diese Vorstellung aber nicht als Ausrede nutzen, um nicht bewusst im Hier und Jetzt zu leben. Denn natürlich geht’s nicht darum, Dinge ins nächste Leben zu verschieben. Das Hier und Jetzt ist entscheidend!

    Sind Sie gläubig?

    Ich denke schon, aber anders, als man das vielleicht erwartet. Beispielsweise suche ich in jeder Stadt, in der ich drehe, eine Kirche auf. Wenn dort gerade ein Gottesdienst stattfindet, bleibe ich eine Weile, denn die spirituelle Kraft, die solche Orte ausstrahlen, ist kraftspendend. Aber ob ich nun an einen katholischen Gott glaube oder eher an eine buddhistische Kraft? Ich weiß nur, dass da „etwas“ ist. Eine höhere Macht.

    2020 haben Sie bei „The Masked Singer“ mitgemacht. Was, wenn sich als Nächstes „Let’s Dance“ meldet?

    Tatsächlich werde ich dafür regelmäßig angefragt, sage aber genauso regelmäßig ab. Das ist aus Zeitgründen nicht machbar.

    Sie lehnten auch immer ab, „Tatort“- Kommissarin zu werden. Gilt das noch?

    Jetzt gerade bin ich frisch verliebt in meine Rolle der Ermittlerin Birgit Reincke in „Alpentod“. Aber sag niemals nie!

    Unerschrocken und konfrontativ, aber auch sehr humorvoll: So tickt Veronica Ferres als neue Kommissarin in der Reihe „Alpentod“. Darum geht’s: Als der elfjährige Leon aus einem Kinderheim verschwindet, rückt ein fünf Jahre zurückliegender Fall erneut in den Fokus. Damals verschwand die achtjährige Jennifer ebenfalls spurlos. Kommissar Becker (Tim O. Schultz) bittet die Ermittlerin Birgit Reincke (Veronica Ferres), damals für die Suche nach Jennifer zuständig, um Hilfe. Gemeinsam mit der Forensikerin Dr. Marie Sonnleitner (Salka Weber) deckt das Trio nach und nach grausame Wahrheiten auf.  | ©RTL

    Schlussfrage: Wenn Sie auf fast 60 Jahre zurückblicken – was war Ihre schönste, was Ihre schwerste Zeit?

    Das Schwerste war der plötzliche Tod meiner Mutter 2000, die viel zu jung gestorben ist. Ihr Verlust war ein tiefer Einschnitt in meinem Leben und eine Wunde, die nie ganz heilt. Der schönste Moment war die Geburt meiner Tochter 2001.

    Ein schwerer Abschied und ein großes Glück – so nah beieinander …

    Ja. Meine Mutter ist am 1. August gestorben, und Lilly kam am 14. Juni des darauffolgenden Jahres zur Welt. Ich glaube, dass die beiden in dieser kurzen Zeitspanne noch eine Verbindung im Universum beziehungsweise im Himmel hatten. Denn Lilly hat an derselben Stelle wie meine Mutter ein besonderes Muttermal. Deshalb bin ich sicher: Die beiden haben nicht nur äußerlich, sondern auch seelisch sehr vieles gemeinsam.